Cannabis-Tinkturen sind eine der vielseitigsten und effektivsten Möglichkeiten, um Cannabis aufzunehmen. Bis zu ihrem Verbot in den USA im Jahr 1936 war dies auch eine der etabliertesten Methoden. Aber was genau sind Cannabis-Tinkturen?
Cannabis-Tinkturen sind alkoholfreie Cannabisextrakte zur sublingualen Einnahme. Traditionelle Cannabis-Tinkturen behalten ihren Alkoholanteil, wodurch sie letztendlich einfach nur Alkoholaufgüsse sind.
Wie werden Cannabis Tinkturen hergestellt?
Die meisten der heute auf dem Markt erhältlichen Tinkturen durchlaufen einen hoch technischen Produktionsprozess. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Cannabis zu extrahieren, aber das Ergebnis wird meist von einem bestimmten Lösungsmittel bestimmt: Alkohol, normalerweise Ethanol.
Durch die ausgeprägte Polarität von Ethanol lassen sich viele verschiedene Terpene aus dem Cannabis herausziehen. Bei der CO2-Extraktionsmethode zur Herstellung von ölbasierten CBD-Lösungen können dagegen einige Terpene fast vollständig entfallen. Laut den Cannabis-Beratern Flemming & Singh „ermöglicht CO2 einen schnellen Zugriff auf viele dieser spezifischen Verbindungen […], allerdings auf Kosten eines vollen Zugriffs auf anderen Inhaltsstoffe wie CBD, CBN oder THCA“.
Bei Ethanol ist das anders. Das Einweichen von Cannabis in Ethanol erzeugt ein Cannabiskonzentrat, das mit Terpenen, Flavonoiden und mehr angereichert ist. Diese Methode kommt der ursprünglichen Form von Cannabis näher, als es vielleicht jede andere gängige Extraktionsmethode tut.
Doch auch die Ethanol-Extraktion hat einige Nachteile. Sie ist zeit- und energieintensiv und erfordert einen langen Verfeinerungsprozess, bei dem überschüssiges Ethanol abgekocht oder ausgespült werden muss. Diese Verfeinerung kann dazu führen, dass einige der empfindlichsten Cannabisverbindungen verdunsten.
Die Vorteile von Cannabis-Tinkturen
Präzision
Die Vorteile der medizinischen Cannabis-Tinkturen sind vielfältig. Erstens erleichtern sie eine präzise Dosierung. Dies gilt insbesondere für kommerziell erhältliche Cannabis-Tinkturen, die mit einer Laborbestätigung und Dosierempfehlungen versehen werden sollten. Die meisten Cannabis-Tinkturen werden in einer bestimmten mg/ml-Konzentration hergestellt und gekennzeichnet.
Mit einer Tinktur kann man die Dosis langsam nach oben (oder unten) titrieren, je nach individuellem Bedarf. Die Titration kann auch nützlich sein, um die Cannabinoid-Rezeptoren nicht zu übersättigen bzw. eine zu hohe Dosis einzunehmen. Durch diese Dosierungsanpassungen können sich die empfindlichen CB1-Rezeptoren in kleinen Schritten an das Cannabinoid gewöhnen. Außerdem ist die Dosierung bei Cannabis-Tinkturen wesentlich einfacher als die mit Cannabis-Kaugummis oder anderen Darreichungsformen.
Auch eine Mikrodosierung ist bei Cannabis-Tinkturen einfach. Nehmen Sie ein paar Tropfen und sorgen Sie so dafür, dass sich Ihr Körper sanft an die Phytocannabinoide gewöhnt.
Komfort
Cannabis-Tinkturen sind sehr praktisch: Sie können jederzeit und überall eingenommen werden (natürlich innerhalb der gesetzlichen Grenzen). Wenn Sie das Cannabis alle paar Stunden mikrodosieren wollen oder sollen, können Sie dies sehr diskret tun – auch wenn Sie sich in einem öffentlichen Raum befinden. Das ist bei anderen Darreichungsformen, wie Rauchen oder Dampfen, nicht der Fall.
Ein weiterer Aspekt dieses Komforts: Medizinische Cannabis-Tinkturen haben eine sehr lange Haltbarkeit. Dies gilt insbesondere, wenn die Tinktur in einer dunklen Glasflasche, die ihren Inhalt vor sonnenlichtbedingter Oxidation schützen soll, aufbewahrt wird.
Effektivität
Ein weiterer positiver Aspekt der Einnahme von medizinischem Cannabis in Form einer Tinktur ist, dass diese Art von Extrakt wirklich das volle Spektrum abdeckt. Hochprozentige Alkohole ziehen sowohl fett- als auch wasserlösliche Stoffe aus dem Cannabis.
Cannabisverbindungen, die normalerweise nicht in einnehmbaren Produkten enthalten sind (einschließlich Chlorophyll, Glykoside und Glykosidflavonoide), sind wahrscheinlich in alkoholbasierten Tinkturen stärker vorhanden. („The Systematic Identification of Flavonoids“, Tom Mabry, 1970)
Natürlich haben diese Verbindungen ihre eigenen Vorteile. In einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2016 heißt es: „Die Flavone und Flavonole in Cannabis haben eine Vielzahl biologischer Wirkungen, einschließlich der Eigenschaften von Terpenen und Cannabinoiden“. Das heißt, dass diese Stoffe möglicherweise krebshemmend, entzündungshemmend und neuroprotektiv wirken, auch wenn dies zu subtil erfolgt, um beobachtet werden zu können.
Spezielle Cannabinoidmischungen könnten medizinische Cannabis-Tinkturen noch effektiver machen. So sind beispielsweise in vielen medizinischen Cannabis-Dispensern Tinkturen mit unterschiedlichen Verhältnissen von CBD zu THC erhältlich. Es ist wahrscheinlich, dass bestimmte Verhältnisse bei bestimmten Menschen und Krankheiten am besten funktionieren.
Eine 2018 an der Universität Tel Aviv durchgeführte Beobachtungsstudie ergab, dass ein Verhältnis von CBD zu THC von 20:1 die Häufigkeit von epileptischen Anfällen bei 56% der teilnehmenden Kinder reduzierte. Auf der anderen Seite scheinen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Psoriasis besser auf höhere THC-Werte anzusprechen.
Wie sollte ich meine Cannabis-Tinktur einnehmen?
Tinkturen sind zur sublingualen Einnahme bestimmt, d. h. sie werden unter die Zunge gegeben. Es gilt: Je länger eine Tinktur unter der Zunge behalten wird, desto höher ist ihre Absorptionsrate. Warum? Weil diese Region des Mundes voll mit Blutgefäßen und Drüsen ist, die die Cannabinoide leicht aufnehmen können. All dies bedeutet, dass die Bioverfügbarkeit einer korrekt eingenommenen Tinktur bis zu 40% erreichen kann, was für medizinisches Cannabis ein ausgezeichneter Wert ist.
Es gibt auch einige Hinweise darauf, dass echte Tinkturen auf Alkoholbasis besser absorbiert werden als solche auf Ölbasis. Die Bioverfügbarkeit von Ethanol selbst liegt bei etwa 80% und es wurde bereits nachgewiesen, dass diese Substanz die Aufnahme anderer Pflanzenstoffe neben Cannabinoiden wie Quercetin verbessert. In (hoffentlich naher) Zukunft werden weitere Studien über die Auswirkungen von Ethanol auf den Cannabinoidstoffwechsel verfügbar sein.
Die (potenziellen) Nachteile von Cannabis-Tinkturen
Trotz ihrer Wirksamkeit haben Cannabis-Tinkturen einige praktische Nachteile. Es dauert lange, bis die Wirkung einsetzt, besonders wenn ein Anwender nicht weiß, wie er die Tinktur vor der vollständigen Einnahme unter der Zunge hält. Verzichten sie auf diese sublinguale Resorption werden die Cannabinoide der Tinktur erst über den sogenannten und wesentlich langsameren First-Pass-Effekt in der Leber aufgenommen. Aus diesem Grund könnten bei PatientInnen mit akuten Angstsymptomen oder Schmerzen Darreichungsformen mit schnelleren Wirkmechanismen, wie dem Dampfen, besser helfen.
Bei Kindern könnte etwas Überredungskunst erforderlich sein, damit sie die Tinkturen einnehmen, auch wegen des manchmal herben, erdigen Geschmacks.
Es muss auch beachtet werden, dass Cannabisöle und Cannabis-Tinkturen heutzutage zwar oft synonym verwendet werden, aber nicht dasselbe sind.
Cannabis-Öl ist eine auf Cannabis basierende, einnehmbare Lösung, unabhängig davon, wie sie hergestellt wurde. Echte Cannabis-Tinkturen werden auf Basis von Alkohol- oder Ethanolextraktion hergestellt und behalten oft etwas Alkohol im Endprodukt.
Alternativen zur Cannabis-Tinktur
Für die Menschen, die Tinkturen nur wegen ihres Geschmacks nicht mögen, gibt es eine einfache Lösung. Eine Tinktur kann in Gelatinekapseln verpackt und so eingenommen werden – vorausgesetzt, sie wurde mit hochprozentigem Alkohol hergestellt. Vorgefertigte Cannabis-Gelatinekapseln sind in vielen Apotheken, die medizinisches Cannabis anbieten, erhältlich.
Andere PatientInnen möchten vielleicht die mit der Anwendung der Tinkturen verbundene Alkoholzufuhr vermeiden. Diese PatientInnen können stattdessen ein lösungsmittelfreies Cannabisöl verwenden. Auch CBD-Öl ist alkoholfrei, obwohl es für Menschen mit schweren gesundheitlichen Problemen möglicherweise nicht stark genug ist. Glücklicherweise sind auch THC-haltige Öle leicht verfügbar.
Cannabis-Tinkturen: Reiche Vergangenheit, glänzende Zukunft
Es scheint, dass sich der Kreis der historischen Popularität von Cannabis-Tinkturen geschlossen hat. Seit 2019 sind Cannabis-Tinkturen verbreiteter und fortschrittlicher denn je. Die durch Tinkturen ermöglichte Spezifität (sowohl die Titration als auch der Cannabinoidgehalt sind anpassbar) öffnet auch die Türen zu zukünftigen personalisierten Arzneimitteln auf Cannabisbasis.
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