Phytocannabinoide wie THC und CBD haben in den letzten Jahren viel Aufsehen erregt und das zu Recht. Die therapeutischen Vorteile des medizinischen Cannabis gehen weit über die offensichtlichen Faktoren hinaus. Die Forschung des 20. Jahrhunderts untersucht und belegt, dass Phytocannabinoide positiv auf die inneren Cannabinoide des Körpers und dessen zellulären Rezeptoren wirken.
Mit anderen Worten, das Zusammenspiel von Phytocannabinoiden und Endocannabinoiden ist symbiotisch. THC fördert die Entspannung, indem beispielsweise CB1 Rezeptoren des Gehirns stimuliert werden, während CBD dem Endocannabinoid hilft, seine volle Wirkung zu entfalten. Die Forschung in beiden Gebieten baut aufeinander auf, was die Themengebiete der Phyto- und Endocannbinoide eng miteinander verbindet.
Lassen Sie uns in chronologischer Reihenfolge einen Blick auf alle Entwicklungen der medizinischen Cannabis-Forschung in den letzten 80 Jahre werfen.
Forschungsbeginn: schwierig, aber hochmotiviert
Ca. 1930: Forscher haben bereits Jahrzehnte lang versucht herauszufinden, welche Inhaltsstoffe Cannabis seine Wirkung verleihen. In den 1930er Jahren wurden die Forschungen intensiviert. Anfangs wurde vermutet, dass Cannabisöl eine einzelne chemikalische Substanz ist, diese Annahme wurde nach weiteren Analysen jedoch verworfen.
Die begrenzten technologischen Möglichkeiten jener Zeit verlangsamten den Forschungsfortschritt. Aufgrund wissenschaftlichem Interesse an pflanzlichen Verbindungen (auch Kokain und Morphium wurden für “medizinische” Zwecke aufbereitet) wurden die Untersuchungen jedoch fortgeführt.
Damals war der einzige Weg eine molekulare Struktur aufzuklären, das Molekül langsam zu zersetzen bis sich etwas bereits bekanntes, erklärbares gebildet hatte. In diesem Fall entstand durch Hitze nahezu reines Cannabinol (CBN). Nach dieser Erkenntnis versuchten vielzählige Laboratorien die Struktur von CBN zu erforschen.
1940 gelingen dem Amerikaner Roger Adams und seinem Team erste nennenswerte Erfolge in der Laborsynthese von CBN. Adams war ein preisgekrönter Chemiker, der zu Beginn der Illegalisierung von Cannabis Untersuchungen durchführte und trotz des politischen Drucks diesbezüglich 27 Studien veröffentlichte. Er entwickelte sogar einen ‚Adam´s score’, um die Potenz von Cannabinoiden zu testen. Dieses Verfahren findet bis heute Anwendung.
Seine Forschungsergebnisse waren beeindruckend, jedoch untersuchte Adams nie die ursprüngliche pflanzliche Form von CBN und CBD (obwohl er eine Technik der CBN-Isolierung im Jahr 1940 patentieren ließ). Bis zur vollständigen Aufklärung dieser Forschungsfrage werden noch mehrere Jahrzehnte vergehen. Tierversuche mit CBN haben gezeigt, dass es bei hoher Dosis sedierend wirkt.
In den frühen 1960er Jahren begann ein junger israelischer Forscher namens Dr. Raphael Mechoulam mit seinen eigenen Forschungen. Dr. Mechoulam – ein Chemiker für “Naturprodukte” –berichtete, dass er “überrascht war herauszufinden, dass Morphium 150 Jahre zuvor aus Opium und Kokain 100 Jahre zuvor bereits chemisch isoliert worden waren. Die Chemie von Cannabis war nicht tiefgehend erforscht.“
1963 & 1964: CBD entdeckt, THC folgte
Dies wollte Dr. Mechoulam mit Unterstützung eines brillanten Teams ändern. Ein im Jahr 1963 revolutionäres Kernspinresonanz-Spektroskop ermöglichte die vollständige Identifizierung der Struktur von CBD. Somit war geschafft, was Roger Adams 1940 aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten nicht erreichen konnte.
Ein Jahr später entdeckte Mechoulam und seine Mitarbeiter das Delta-9 THC. Ihre veröffentlichten Studien beschreiben den Gebrauch von Hexan, um spezifische Komponenten aus Haschisch zu extrahieren und zu isolieren.
In den Folgejahren wurden weitere zahlreiche Cannabinoide entdeckt. Mechoulam und sein Forschungsteam entdeckten und identifizierten viele davon. Bis auf den Wirkstoff THC wurden alle weiteren Cannabinoide als nicht psychoaktiv befunden. Tierversuche mit THC über dessen psychoaktive Wirkung folgten und erregten viel Aufmerksamkeit. Cannabis in Säureformen wurde ebenfalls gründlich untersucht.
Während der 80er: Verschiedene Forschungsteams versuchten mit synthetischen Cannabinoiden zu experimentieren. Bedauerlicherweise kamen diese Versuche zu keinem positiven Ergebnis. Es stellte sich heraus, dass die Natur es besser wusste. Die synthetischen Stereoisomere verursachten alle möglichen starken Nebenwirkungen. Ein sehr starkes synthetisches Cannabinoid’ namens HU-210 erwies sich als‚ tausendfach aktiver als sein synthetisches Spiegelbild HU-221’.
Die Suche nach Antworten
In den späten 80er Jahren wurde die Liste der belegbaren medizinische Nutzen von Cannabis und dessen Cannabinoiden immer länger. Forscher wussten nun, dass die Pflanze bei Epilepsie, Neuropathie und sogar Krebs Wirkung zeigt. Das Wissen über den medizinischen Nutzen von Cannabis regte zu dieser Zeit viele Menschen an, Cannabis selbst auszuprobieren. Insbesondere die oben genannten THC- und Krebsstudien führten dazu, dass 1975 das besondere Rick Simpson Cannabisöl hergestellt wurde.
Aber niemand wusste bisher wie Cannabis wirkt und wie es chemisch gebunden ist. Dies berichtete der Forscher Mechoulam auf dem‚ European Congress on Epileptology’:
“Es gab keine genaue Vorstellung [von Endocannabinoiden]. Der Wirkungsmechanismus von THC war unbekannt.
Forscher nahmen an, dass Cannabinoide und insbesondere THC nach einem verallgemeinerten, nicht cannabinoid-spezifischen Schema wirken.
Die Theorie, dass sich THC in der Zellmembran auflöst oder so etwas Ähnliches, erwies sich als falsch.”
Die meisten Forscher sind intuitiv von einem verallgemeinerten Schema ausgegangen und empfanden Mechoulams Aussagen als suspekt.
In einem umfassenden geschichtlichen Überblick zum Thema Cannabisforschung bestätigte Lumír Hanuš die Annahmen der Forscher: “Für die meisten Neurowissenschaftler ist es undenkbar, dass das Gehirn seine Ressourcen verschwendet, um einen Rezeptor auszubilden, der die Bestandteile einer Pflanze bindet.”
Mit anderen Worten lautete die geläufige Theorie, dass Cannabinoide ihre Wirkungsweise mit einem anderen Stoff teilen müssten. Irgendwie und irgendwo muss mit diesem Rezeptor etwas geschehen sein, dass er Cannabinoide akzeptiert.
Endocannabinoide: Ein fehlendes Puzzleteil
Im Jahre 1990, wurde ein Rezeptor im Hirn entdeckt, der auf THC reagiert. Forscher nannten diesen Rezeptor Cannabinoid-Rezeptor-Typ 1 (kurz CB1). Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Konzentration der CB1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem am höchsten ist. Ebenso stellten diese Studien fest, dass der CB1 der aktivste Hirnrezeptor seiner Klasse, den G-Protein-gekoppelten-Rezeptoren, ist.
Kurz darauf wurde ein zweiter Cannabinoid-Rezeptor entdeckt, welcher CB2 genannt wurde. Dieser Rezeptor aber schien nicht so aktiv im Gehirn zu sein wie CB1 und regiert scheinbar nicht nur auf THC. Anstatt im Gehirn, fanden sich CB2-Rezeptoren vorwiegend in Extremitäten und Organen.
Nun blieb nur ein Puzzleteil ungeklärt: welche weiteren Stoffe aktivieren CB1- und CB2-Rezeptoren? Sicher waren es nicht nur pflanzliche Cannabinoide. Forscher schlossen daraus, dass es eine Art innerer Agonist geben muss, der CB aktiviert, auch wenn kein Cannabis im Körper ist. Zurück zu Hanuš’ Kommentar:
“Die einzig logische [Annahme] ist, dass das Gehirn neuronale Vermittler produziert… eine spezielle Verbindung (oder eine Familie aus Verbindungen), die Cannabinoid Rezeptoren aktivieren.”
Die Intuition von Hanuš und weiteren Chemikern erwies sich als richtig. Die Zusammenarbeit mit dem Pharmakologen William Devane half Lumír Hanuš das erste Endocannabinoid zu entdecken: Anadamide. Eine Kombination aus der Vorsilbe ananda (Sanskrit für “Glückseligkeit”) und der wissenschaftlichen Endung -amide. Die Entdeckung von Anadamide eroberte die wissenschaftliche Welt im Sturm. Jetzt wussten die Forscher wonach sie suchen mussten und identifizierten andere fettsäurebasierenden Moleküle, die anscheinend auf CB1 Rezeptoren reagieren. Das erste wurde 2-Arachidonoylglycerol genannt, kurz 2-AG.
Mit der Entdeckung von Anandamiden wurde ein biologisches Puzzle endlich gelöst: Menschen reagieren auf Cannabis, weil sie ein voll funktionstüchtiges dreiteiliges Endacannabinoid–System (ECS) haben. Allerdings ist dieses metaphorische Puzzle weit davon entfernt vollständig gelöst zu sein, aber Fortschritte werden gemacht. Mit zunehmendem Verständnis des ECS wurden neue Techniken für dessen Aktivierung entwickelt. Einer Studie aus dem Jahr 2005 zufolge wurden folgende potentiell therapeutische Ziele des ECS entwickelt. Sie umfassen:
- Aktivierung der CB2 Rezeptoren, oder CB1 Rezeptoren + konjunktive Opioide zur Schmerzlinderung
- Aktivierung von CB1 und CB2 ohne die Blut-Gehirn-Barriere zu durchbrechen
- Aktivierung von CB1 und CB2 durch direkte Anwendung von Cannabinoiden auf der Haut
- Aktivierung der “autoprotective” (Selbstschutz)- Fähigkeiten des ECS
- Aktivierung anderer Systeme durch CBD, die CB1 oder CB2 nicht direkt aktivieren
Ein neues Jahrhundert mit neuen Theorien
Die moderne Cannabis-Forschung förderte neue übergreifende Erkenntnisse zu Tage. Systematische Ansätze wie jene der Wissenschaftler Dr. Ethan Russo und Dr. Bob Melamede stellten neue Theorien in der Verbindung von Cannabis, Leben und Gesundheit auf, die zwar bislang z.T. unbewiesen sind, sich aber für viele Cannabis-Patienten weltweit im Alltag bewiesen haben.
Dr. Russo rückte 2004 ins Rampenlicht, als er der wissenschaftlichen Welt ein Konzept präsentierte, das in der Fachsprache: clinical endocannabinoid deficiency syndrome’ (klinisches Endocannabinoid-Mangel-Syndrom) genannt wird. In Anlehnung an seine Argumentation in Sachen CBD bemerkte Russo:
“[…] Wie wirkt sich eine Mangel an der Endocannabinoid-Funktion auf den menschlichen Körper aus? Gut, das wussten wir bereits. Wenn Sie nicht genug Endocannabinoide im Körper haben, haben Sie Schmerz an Stellen, an denen sie keinen Schmerz haben sollten. Sie würden sich krank fühlen, d.h. Übelkeit. Sie hätten einen niedrigeren Schwellenwert für Krämpfe. Und sie hätten eine ganze Reihe weiterer Probleme.”
Was unbewiesen bleibt, aber als gängige Annahme gilt ist, dass ein Mangel an Endocannabinoiden zu klinischen Krankheiten führen kann:
“Eine ganze Reihe geläufiger Krankheiten lässt sich auf den Mangel an Endocannabinoiden zurückführen, darunter insbesondere Migräne, Reizdarmsyndrom sowie Fybromyalgie […] Dies sind alles hyperalgetische Syndrome, was bedeutet, dass sie stärkeren Schmerz spüren, als sie sollten. Anders ausgedrückt scheint das Gewebe in Ordnung auszusehen, aber ein biochemischer Prozess führt zu Schmerzen.”
Dieser biochemische Prozess ist in diesem Fall höchstwahrscheinlich ein Mangel an Endocannabionoiden. Nahrungsergänzung mit Cannabinoiden wie THC und CBD könnten einen derartigen Mangel ausgleichen. Besonders im Rahmen anderer Veränderung Ihrer Gewohnheiten. Ergänzend zu Dr. Russos CECDS-Studien, war Russo ein mündlicher Befürworter der positiven Nebenwirkungen von Cannabinoiden und deren pharmakologischen Bedeutung.
In einer neueren Studie namens, ‚Cannabinoide in Gesundheit und Krankheit’ beschreibt Mechoulam zusammen mit der Chemikerin Natalya Kogan, dass der therapeutische Nutzen von Cannabinoiden zu hoch sei, um ihm medizinisch kaum Beachtung zu schenken. Des Weiteren formulierten sie, dass Erbrechen, Epilepsie, Osteoporose, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Fettleibigkeit gute Kandidaten für die Behandlung mit medizinischem Cannabis seien.
Während Dr. Russo und Mechoulam die eher konservative Seite der Cannabis-Forschung vertreten, sind die Theorien von Dr. Bob Melamede wissenschaftlich mehr als umstritten. Als ein Molekular-Biologe, der sich besonders auf DNA, RNA sowie ungeladene Elektronen ohne gebundenes Valenz-Elektron spezialisiert hatte, vertrat Dr. Melamede die Annahme, dass Cannabinoide als universelles Gegenmittel für chemische Unstimmigkeiten fungiere.
„Jede biochemische Veränderung, ob gut oder schlecht, bedeutet Stress für den Körper. Und die Art und Weise, wie der Körper mit Stress umgeht, ist durch unser Cannabinoid-Rezeptor-System gesteuert, denn dieses ist es, das unserem Gehirn erlaubte sich weiterzuentwickeln.“
Medizinische Wissenschaftler (zumindest in den USA) reagierte mit großem Widerspruch. Dennoch kamen viele Cannabis-Patienten zu dem Schluss, dass Dr. Melamedes Theorien nützlich – wenn nicht sogar lebensrettend – sind.
Großer Zuwachs von CBD-Studien in den vergangenen Jahren:
In den vergangenen Jahren rückten CBD-Studien zunehmend ins Rampenlicht der Wissenschaft. Auch wenn einst angenommen wurde, dass CBD als Wirkstoff eher inaktiv und dessen Wirkung marginal sei (frühere Studien wie die von Dr. Walter S. Loewe bezogen sich auf CBD mit der Beschreibung ‚relativ inaktiver Bestandteil’), haben sich die Meinungen hierzu definitiv geändert. Legislative Schritte, wie die Verabschiedung des ‚Federal Farm Bill’ von 2014 und 2018 in den USA, ließen das Interesse an CBD und Hanf beispiellos anwachsen.
Mit dem wachsenden Interesse an CBD und dessen Wirkung, kamen auch weitere Studien zu dem Thema – Studien, die zweifelsfrei belegen, dass CBD tatsächlich ein sehr aktiver Wirkstoff ist. Zwar spricht es nicht direkt die Endocannabinoid-Rezeptoren an, hilft aber stattdessen indirekt THC und Endocannabinoide an den Rezeptor zu binden.
Auch wenn Cannabis bereits seit über 6.000 Jahren medizinische Anwendung findet, wurde die Pflanze erst in den letzten ca. 100 Jahren wissenschaftlich erforscht. So vielversprechend die existierenden Studien zwar wirken, zeigt die kurze Zeitspanne der Forschung, dass es möglich ist, dass die Wissenschaftler immer noch wichtige Aspekte außer Acht lassen.
Das gesagt, scheint die Forschung im Thema Cannabis dennoch in die richtige Richtung zu gehen. Die Zahl der Studien über (Endo-)Cannabinoide vergrößert sich täglich und glücklicherweise umfassen diese Studien viele Aspekte, die auf die ganzheitliche Wirkung von Cannabis und dessen Entourage-effekte abzielen.
Möglicherweise stellte es Lumír Hanuš in einem Interview mit ‚Project CBD’ am besten dar:
“Ich sehe zwei mögliche Wege [für die Zukunft der Cannabis-Forschung]. Einer wird sich auf die Weiterentwicklung aktiver Wirkstoffe konzentrieren, die patentiert werden können, um so viel Geld wie möglich damit zu machen. Der zweite Weg wird das Wohl der Patienten dem Profit vorziehen und sich auf die ganze Pflanze und die synergetischen Effekte deren Wirkstoffe fokussieren.“
In Zukunft sollten sie nach Studien dieses zweiten Weges Ausschau halten – Studien über die Nebeneffekte und Mysterien des Cannabis. Die Komplexität und Vielfalt der Cannabispflanze deutet darauf hin, dass immer noch viel zu entdecken ist.
Zum Beispiel belegte bereits eine Studie, dass THC mit CBD zusammenarbeitet. Wissenschaftler haben ebenfalls herausgefunden, dass Terpene wie Mycren helfen, die Blut-Hirn-Barriere für Cannabinoide zu öffnen. Eine weitere Studie bei Mechoulam belegte, dass vollpflanzliche Extrakte isolierten CBD-Produkten weit überlegen sind. Aber um stichhaltig herauszufinden, was die Wirkung und Wechselwirkung der unterschiedlichen Inhaltsstoffe ausmacht, braucht es weit mehr Studien zu dem Thema. Zum Glück sind die Pioniere in Sachen Cannabis-Forschung ehrgeizig in der Fortführung der Studien zur Cannabis-Pflanze.
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