Mit der Entkriminalisierung von Cannabis in vielen Teilen der Welt nehmen auch die Meinungsbeiträge und die Aufmerksamkeit für diese Pflanze zu. Doch wer sich erst seit Kurzem mit diesem Thema befasst, weiß vielleicht nicht, dass der Konsum der Pflanze fast so alt ist wie die Menschheitsgeschichte. Der Mensch nutzt schon seit Urzeiten viele verschiedene Pflanzen, doch vor allem der Cannabiskonsum scheint besonders früh begonnen zu haben.
Es wird geschätzt, dass Cannabis bereits kurz nach „Erfindung“ der Landwirtschaft angebaut wurde. Zu dieser Zeit, ca. 9.000 v. Chr., befand sich auch die menschliche Sprache in einem Übergangsstadium und entwickelte sich ständig weiter. Dieses sprachliche Durcheinander erschwert die Aufklärung der ersten Erwähnung des Cannabisanbaus.
Um endgültige Antworten zu finden, haben Historiker und Sprachwissenschaftler tief in der Etymologie, der Erforschung der Herkunft von Wörtern, gegraben.
Etymologie des Wortes „Cannabis“ von Ost nach West
Die erste Kultur, in der Cannabis erwähnt wird, war wahrscheinlich das alte China. 2737 v. Chr. empfahl Kaiser Shennong von China Cannabistee zur „Behandlung von Gicht, Rheuma, Malaria und Gedächtnisstörungen“. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode kann dieser frühe medizinische Cannabiskonsum nun bestätigt werden.
Zuvor beschränkte sich die Erwähnung der Pflanze auf symbolischere Darstellungen. Laut Überlieferungen erfand der Himmlische Kaiser Fu Xi, der um 2800 v. Chr. lebte, Chinas erste Schriftzeichen. Der chinesische Buchstabe Ma, der die eine Hälfte des Wortes für Cannabis ausmacht, scheint Hanfpflanzen darzustellen, die kopfüber zum Trocknen hängen.
Der Buchstabe Ma – Darstellung von trocknenden Hanfpflanzen?
Von China verbreitete sich der Cannabiskonsum nach Westen. In einem in der Zeitschrift „Vegetation History and Archaeobotan“ veröffentlichten Artikel wurden versteinerte Pollen von 470 Standorten untersucht, um den Anbau der Pflanze von Asien über Eurasien bis zum europäischen Festland zu verfolgen.
Auch die alten Ägypter hatten ein Wort für Cannabis: shemshemet. Die erste Erwähnung stammt aus der Zeit um 2350 v. Chr. Dabei wird ein mythologischer König beschrieben, der Schnüre um die Shemshemet-(Cannabis-)Pflanze bindet. In den kommenden Jahrhunderten erweiterte sich die medizinische Anwendung von Cannabis, wie in medizinischen Schriften auf Papyrus beschrieben wurde– im Prinzip für alles, vom Zäpfchen bis hin zu kreativ gemischten Umschlägen.
Dr. Ethan Russo stellte daher in einer detaillierten Studie mit dem Titel „History of Cannabis and Its Preparations in Saga, Science, and Sobriquet“ fest, dass bereits in vielen Urkulturen Cannabis genutzt wurde.
Wie Sie der Abbildung entnehmen können, hatte jede Kultur – von den Sumerern über die Perser bis hin zu den Hebräern – ein Wort für Cannabis. Aber der hebräische Begriff kaneh bosem hat eine besonders faszinierende Geschichte.
Kaneh Bosem: Hanf und die Hebräer
Es kann sein, dass Cannabis – oder kaneh bosem, wie die alten Hebräer es genannt haben – eine heimliche Zutat im heiligen Salböl der hebräischen Priester war.
Werfen wir dazu einen Blick auf einen Abschnitt aus der Thora, 2. Mose 30:22-25:
Der HERR sprach zu Mose: „Nimm dir Balsam von bester Sorte: fünfhundert Schekel erstarrte Tropfenmyrrhe, halb so viel, also zweihundertfünfzig, wohlriechenden Zimt, zweihundertfünfzig Gewürzrohr und fünfhundert Zimtnelken, nach dem Schekelgewicht des Heiligtums, dazu ein Hin Olivenöl, und mach daraus ein heiliges Salböl, eine würzige Salbe, wie sie der Salbenmischer bereitet! Ein heiliges Salböl soll es sein.“
Jahrhundertelang hat eine dieser Zutaten Übersetzer vor Rätsel gestellt: „Gewürzrohr“. Neben vielen weiteren Schriften wurden auch die ersten Übersetzungen dieses Abschnitts aus der griechischen in die englische Sprache im Namen von König James VI./I. im frühen 17. Jahrhundert angefertigt.
Obwohl sie durchaus sprachwissenschaftlich versiert waren, kannten sich diese Übersetzer nicht ganz so gut in Botanik aus und nahmen folglich an, dass sich der Begriff „Gewürzrohr“ auf eine Pflanze namens Kalmus bezog. Aber wir wissen heute, dass Kalmus eine Chemikalie namens Asaron enthält, die ihn leicht toxisch macht, besonders wenn er gegessen wird.
Aus offensichtlichen Gründen wäre es für die hebräischen Priester nicht sinnvoll gewesen, eine giftige Pflanze in ihr heiliges Öl zu mischen. Daraus lässt sich schließen, dass die Übersetzung irgendwann im Laufe der Zeit vom Kurs abgekommen ist. Es ist auch möglich, dass der Begriff schon in früheren Übersetzungen wie der hebräisch-griechischen Septuaginta falsch verstanden wurde.
Wenn es also nicht Kalmus ist – was könnte sonst noch mit „Gewürzrohr“ gemeint sein?
Im Jahr 1936, stellte eine polnische Etymologin namens Sula Benet die These auf, dass es sich um „קנבוס“ oder „KaNaBoS“ handeln könnte, was wiederum vom noch älteren hebräischen Begriff „קנה בשם“ oder kaneh bosem abstammt.
Ihr Argument war logisch: קנה, oder kaneh bedeutet „starkes Schilf oder Stiel“, während bosem „duftend oder aromatisch“ meint. Kaneh bosem = duftendes Rohr.
Mit dieser Logik im Hinterkopf ergibt die Übersetzung viel mehr Sinn. Obwohl man einst glaubte, dass der Begriff „Cannabis“ aus der skythischen Sprache abgeleitet ist, stellte sich heraus, dass seine Wurzeln wahrscheinlich noch weiter zurückreichen: bis ins alte Hebräisch!
Es war, als könnte ein weiteres, schwer zu findendes Puzzleteil an seinen Platz gelegt werden. Sobald Benet wusste, nach welchem Begriff sie suchen musste, bemerkte sie, dass er auch im Rest der Bibel auftauchte. Wie Chris Bennet in seinem Buch „Sex, Drogen und die Bibel“ aus dem Jahr 2001 feststellt, „erscheint dieses Wort fünfmal im Alten Testament, dem Hohelied sowie in den Büchern Exodus, Jesaja, Jeremia und Ezechiel“.
Wofür könnte ein so starkes auf Cannabis basierendes Öl verwendet worden sein? Schauen wir und noch einmal Exodus Kapitel 30, beginnend mit Vers 26 an, um das zu beantworten.
Damit salbe das Offenbarungszelt und die Lade des Bundeszeugnisses (…). So sollst du sie weihen, damit sie hochheilig seien; alles, was sie berührt, wird heilig (…). Auch Aaron und seine Söhne sollst du salben und sie weihen, damit sie mir als Priester dienen.
Dies aus der Sicht der modernen Wissenschaft zu interpretieren, ist überraschend aufschlussreich. Cannabis ist ein bekanntes antimikrobielles und antibakterielles Mittel, ebenso wie einige der anderen Inhaltsstoffe des Salböls, zum Beispiel Zimt. Das könnte erklären, warum die Hebräer ihr Öl auf alle möglichen unbelebten Objekte auftrugen. Schaden konnte es nicht, denn diese Praxis ließ die Objekte ja tatsächlich gut riechen.
Doch das Salböl wurde auch eindeutig in der Priesterschaft eingesetzt. Hat es seinen Nutzern psychotrope Effekte verschafft? Möglicherweise.
Obwohl wir nicht die Cannabinoid-Werte des Öls feststellen können, wissen wir, dass das Cannabis der Antike im Allgemeinen einen hohen CBD-Anteil hatte. Moderne Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass dieses Cannabinoid viel besser in die Haut eindringt als THC. Nach der biblischen Beschreibung haben so zumindest levitische Priester eine tägliche Aromatherapie erhalten.
Tatsächlich lässt sich das Rezept des Salböls auch heute replizieren. Mit einer Mischung aus Terpenen, die die Bioverfügbarkeit verstärken, teilweise decarboxylierten Cannabinoiden und reinen Trägerölen ist die Wissenschaft nun in der Lage, dieses alte Wissen zu validieren.
Einige Befürworter schreiben dem Cannabiskonsum noch heute eine spirituelle Bedeutung zu. Dr. Yosef Glassman studiert seit Jahrzehnten alte jüdische Texte, um mehr über den Konsum von Cannabis in seiner Kultur zu erfahren. Er sagte dem Haaretz-Magazine: „Es steht außer Frage, dass die Pflanze eine heilige Quelle hat, Gott selbst, und deshalb für mehrere rituelle Zwecke erwähnt wird.“
In den letzten Jahren hat Dr. Glassman zu diesem Thema am Massachussett’s New England Sinai Hospital viele Vorträge gehalten. „Das Ziel ist es, Mediziner über die reiche Kulturgeschichte des Cannabiskonsums als Arzneimittel aufzuklären, seinen Wirkmechanismus zu erklären und Mythen über sein Sicherheitsprofil zu zerstreuen“, erklärt er.
Cannabis: Moderne Nutzung, jahrtausendealter Ursprung
Obwohl sich die Welt des Cannabis in den letzten Jahrtausenden – allein in den letzten Jahrzehnten – stark verändert hat, ist die Etymologie des Begriffs selbst weitgehend unberührt geblieben. Tatsächlich lässt sich der Begriff leicht bis zum altgriechischen kánnabis zurückverfolgen.
Das hebräische kaneh-bosem war einer der ersten Namen für Cannabis und verbreitete im Laufe der Zeit zahlreiche etymologische Ableger. Selbst Wörter wie das englische candy (Süßigkeiten) oder canal (Kanal) lassen sich auf kaneh, die alte hebräische Vorsilbe zurückführen.
Von dort aus begann die skythische Übernahme der cannabisbezogenen Terminologie. Die Skythen unterschieden zwischen industriellem Hanf (auf Sanskrit śaṇa) und narkotisierendem Hanf (d. h. Cannabis), auf Sanskrit bhanga.
Auch andere alte Kulturen gaben in ihrer Terminologie Raum für die Unterschiede zwischen Cannabis und Hanf. Typischerweise wurden die Vorsilben ken oder kan faserartigen Pflanzen vorangestellt, während kana oder bhang auf Cannabis mit hohem THC-Gehalt hinwies.
Das aktuelle englische Wort für Hanf (hemp) stammt wahrscheinlich auch von der Vorsilbe kan ab. Es scheint aus dem persischen Begriff kanap entstanden zu sein und als hanaf ins Altdeutsche übernommen worden zu sein, bevor es sich langsam zu hanf und dann schließlich zu hemp entwickelte. (Mirriam Webster)
Das persische Wort kanap spaltete sich im Laufe der Zeit in zwei Gruppen auf und entwickelte sich schließlich ebenfalls zum heutigen Begriff „Cannabis“. Sie sehen also, dass „Cannabis“ eigentlich ein lateinischer Begriff ist. Er ist seit 300 n. Chr. praktisch unverändert geblieben.
Unbekannter skythischer/thrakischer Begriff >
Kanab / Kanap (Persisch) >
κάνναβις (Griechisch) >
Cannabis (Latein)
Heute ist die Beziehung zwischen den Begriffen „Hanf“ und „Cannabis“ anders. Die beiden Wörter schließen sich nicht mehr gegenseitig aus. Stattdessen ist „Cannabis“ so etwas wie ein Überbegriff, der alle Mitglieder der Familie „Cannabis Sativa L.“ umfasst, einschließlich faserartigem Hanf.
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