In Ägypten wurde Cannabis schon vor Jahrtausenden als Heilmittel benutzt.
Im Gegensatz zu vielen anderen alten Kulturvölkern, die Cannabis anbauten, zeichneten sich die Ägypter schon in der Antike durch einen erstaunlich holistischen Umgang mit der Pflanze aus. Offenbar war das in der Hieroglyphensprache als Shemshemet bezeichnete Blütengewächs bei ihnen sogar schon vor dem Bau der großen Pyramiden sehr beliebt.
Wie sich zeigt, wurde Shemshemet im alten Ägypten auf zweierlei Arten verwendet. Zum einen benutzte man den Hanf zur Herstellung von Fasern und Textilien, zum anderen sieht es so aus, als seien die psychoaktiven bzw. berauschenden Komponenten der Pflanze schon damals als Heilmittel eingesetzt worden. Obwohl viele unserer heutigen Quellen darauf hindeuten, dass die alten Ägypter Hanf für das eine und Cannabis für das andere verwendeten, müssen diese Aussagen doch etwas eingehender untersucht werden.
Lassen Sie uns eine kleine Zeitreise in die ägyptische Geschichte machen, die etwa um das Jahr 3000 v. Chr. beginnt.
Hinweise auf Cannabis in historischen Berichten
Obwohl die genaue Zeitleiste alles andere als eindeutig ist, darf man davon ausgehen, dass Cannabis im alten Ägypten bereits vor 5000 Jahren benutzt wurde. Manche Forscher behaupten sogar, die Abbildungen von Sheshat, der ägyptischen Göttin der Schrift, seien von cannabis-inspirierten Motiven durchsetzt. Viele Darstellungen zeigen diese Gottheit mit einem sternförmigen Blatt über dem Kopf und einem faserartigen Seil in der Hand. Waren Sheshats‘ kreativen Talente etwa einer gewissen Unterstützung durch die Hanfpflanze zu verdanken? Diese Theorie mag zwar eher belustigen, aber lassen Sie uns doch ein paar besser belegte Beispiele ansehen.
Sheshat tauchte erstmals gegen Ende der Zweiten Dynastie auf, etwa um 2800 v. Chr.
Dazu muss man die altägyptische Heilkunst zunächst in ihrem kulturhistorischen Zusammenhang verstehen: das Volk der Ägypter besaß schon damals Kenntnisse über den menschlichen Körper, die ihrer Zeit weit voraus, und relativ gesehen sogar außerordentlich fortschrittlich waren. Obwohl die alten Ägypter tausende Jahre vor Louis Pasteurs Entdeckung der Krankheitskeime lebten, legten sie dennoch größten Wert auf Sauberkeit und Sterilität. Bräuche wie das Einbalsamieren gewährten ihnen wertvolle Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Körpers.
Dieses medizinische Wissen führte zum ausgedehnten Einsatz von Heilpflanzen. Zunächst schwebte diese Behandlungsmethode irgendwo in der Grauzone zwischen Wissenschaft und Religion und verwischte die Grenzen zwischen den beiden Bereichen. Wie die Ägyptologin Barabara Watterson vermerkt, galt »der frühzeitliche Arzt als Zauberer, da die Ägypter glaubten, Krankheit und Siechtum werden von bösen Dämonen ausgelöst, die in den Körper eingedrungen seien.« Und dafür schienen auf Pflanzen basierte Zauberformeln glücklicherweise das perfekte Heilmittel zu sein.
Schon bald entdeckte man, dass Mischungen aus Cannabis zu den besten und stärksten Salben und Tinkturen zählten, die auf diesen Pflanzen basierten. Seine psychotrop wie auch heilend wirkenden Eigenschaften machten es unter den Doktoren und Heilern der Antike zu einem populären Mittel. Obwohl wir noch nicht wissen, wann die Anwendung von Cannabis den Sprung in den Mainstream schaffte, wurden in mehr als 4000 Jahre alten ägyptischen Gebrauchsgegenständen Rückstände der Pflanze gefunden.
Um 2000 v. Chr. wurden Cannabis-Salben benutzt, um Augenbeschwerden und Glaukome zu behandeln. Inzwischen hat auch die moderne Wissenschaft bewiesen, was die alten Ägypter aus jahrhundertelanger Erfahrung gelernt hatten: dass Cannabis ein potenter Entzündungshemmer ist, der den intraokularen Druck erheblich reduziert. In ihrem Werk An Ancient Egyptian Herbal schreibt Lise Manniche, eine weitere Ägyptologin, es gäbe eine Reihe von bis ins 18. Jahrhundert v. Chr. datierten Texten, die ihre Leser ermutigten, »medizinischen Cannabis anzubauen«.
Hinweise auf Cannabis in antiken Schriftrollen
Heute zählt es längst zum Allgemeinwissen, dass die alten Ägypter die Pioniere der Entwicklung von Papyrus und Pergament waren. Diese Schriftrollen ermöglichten ihnen, aufzuschreiben und zu dokumentieren − und uns Menschen von heute ermöglichen sie, einen Blick in die Welt ihrer längst untergegangenen Hochkultur zu werfen. Die Papyrusrollen befassen sich mit nahezu jedem Thema, von rechtlichen Fragen über Mythologien bis hin zu medizinischen Protokollen. Zu all diesen Themen wurden Schriften gefunden und natürlich ist in den medizinischen Texten mitunter auch von Cannabis die Rede.
Die Ramesseum-Papyri │ Dem Britischen Museum zufolge sind die Ramesseum-Papyri »der wertvollste Papyrus-Einzelfund aus dem pharaonischen Ägypten«. Man darf davon ausgehen, dass dieses Werk als eine der ältesten jemals entdeckten medizinischen Textsammlungen (es wird um das Jahr 1750 v. Chr. datiert) das Heilwissen noch viel älterer Generationen umfasst.
Den Namen verdanken die Ramesseum-Papyri ihrer Herkunft: der antiken Stadt Ramesseum. Aus dieser von Ramses II. erbauten Metropole haben Forscher zahllose weitere Funde geborgen, die nahezu ausnahmslos vom hohen Bildungsstand ihrer Epoche zeugen.
Auch die Papyri selbst lassen das deutlich erkennen. Sie enthalten Informationen über Kinderkrankheiten, Anatomie, die Erholung von durch Vulkanausbrüche verursachten Verletzungen und den Geburtsvorgang. Tafel A26 des Ramesseum III-Papyrus schilderte folgende Behandlung für die Augen: »Sellerie und Cannabis werden gemahlen und über Nacht im Tau stehen gelassen. Am Morgen sind beide Augen des Patienten damit zu spülen«. Ob das wohl eine effektive frühzeitliche THCA-Therapie gewesen sein mag?
Der Papyrus Ebers│ Diese bemerkenswerte Sammlung von Papyrusrollen ist das älteste vollständige medizinische Standardwerk der Welt. Um das Jahr 1500 v. Chr. verfasst, schildert es die beliebtesten Heilmittel seiner Zeit. Seinen Namen verdankt der Papyrus Ebers dem Botaniker George Ebers, der ihn gegen Ende des 18. Jahrhunderts erwarb. Wie viele andere Wissenschaftler seines Fachs war Ebers verständlicherweise an allem interessiert, was er aus der Antike lernen konnte. Und bei auf 110 Seiten überlieferten 700 Formeln aus der Medizin und der Magie kann man offenbar eine ganze Menge erfahren.
Eine Formel für die Gesundheit der Frau lautet wie folgt:
Formel Nummer 821: Shemshemet (also Cannabis) müsse »in Honig zerstoßen und in die Vagina eingeführt werden, um den Uterus zu kühlen und dessen Hitze zu mindern.«
Eine weitere auf Cannabis basierte Formel für »einen schmerzenden Finger oder Zeh« ist so wirkungsvoll, dass die Ärzte ihre Patienten folgendermaßen ermutigen sollten: »Du musst diesem Patienten sagen: das ist ein Problem, das ich behandeln kann.«
Formel Nummer 821: »Honig: ¼; Ocker 1/64; Cannabis:1/32; Hedjou-Harz: 1/32; Ibou-Pflanze: 1/32. Wie eingangs geschildert zubereiten und dann darüber [den betroffenen Bereich] verteilen.«
Der Papyrus Berlin │ Diese etwas jüngere Schriftrolle (aus dem Jahr 1300 v. Chr.) bietet Hinweise auf die Entwicklung von Cannabis als Medizin. Es war nicht nur für Augenprobleme, gynäkologische Beschwerden oder Gliederschmerzen geeignet − Cannabis konnte auch bei der Behandlung von Fieber und Entzündungen eingesetzt werden.
Die 81. Formel des Papyrus zeigt, dass Cannabis als Salbe verschrieben wurde, die »das Fieber vertreibt«. Unsere moderne Medizin hat diese fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften inzwischen eindeutig belegt.
Ein Segment des Papyrus Berlin, der unter der Erde vergraben gefunden wurde. Mit der freundlichen Genehmigung der Herausgeber des 1909 erschienenen deutschsprachigen Buches »Der große medizinische Papyrus des Berliner Museums« von Walter Wreszinski.
Der Papyrus Chester Beatty │ Ebenfalls um 1300 v. Chr. verfasst wurde der Papyrus Chester Beatty. Darin geht es vorwiegend um die Behandlung von Erkrankungen des Dickdarms. Shemshemet findet dabei mindestens zweimal Erwähnung, wobei die zerstoßenen Samen der Pflanze als wertvolles Heilmittel verschrieben werden. Es gibt sogar Anleitungen zur Verwendung von Cannabis-Zäpfchen als Verdauungshilfe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Beispiele für die Verwendung von Cannabis in den Papyri-Aufzeichnungen relativ spärlich sind. Da, wo man sie dennoch findet, sprechen sie jedoch Bände. Wie Dr. Ethan Russo 2007 in einem in The Journal of Chemistry and Biodiversity veröffentlichten Artikel zitiert: »Als Medikament wird es [das Cannabis] seit pharaonischen Zeiten aktiv benutzt. Es taucht zwar in den medizinischen Papyri nicht sehr häufig auf, wurde jedoch oral, rektal, vaginal sowie auf der Haut verabreicht, auf die Augen aufgetragen und in Form von Rauch als Desinfektionsmittel verwendet.«
Cannabis für die Pharaonen und Cannabis fürs Volk
Die ägyptischen Pharaonen haben Cannabis wahrscheinlich auch zu zeremoniellen Zwecken benutzt. Die Mumie von Ramses dem Großen (Pharao im Jahr 1213 v. Chr.) weist ebenso wie die sterblichen Überreste anderer mumifizierter Ägypter Spuren von Cannabis auf. In den 1990ern berichtete eine Studienreihe von Nerliche, Parsche und Balabanova über diese verblüffenden Befunde. Nerliche hielt fest, dass die Mumien bedeutende Ablagerungen von THC enthielten und schloss daraus, dass diese wahrscheinlich durch Cannabisrauch entstanden seien. Wie Sie sich denken können, waren diese Studien bei ihrer ersten Veröffentlichung äußerst umstritten.
Mit der Zeit entwickelte sich die Verwendung von medizinischem Cannabis im alten Ägypten stetig weiter. Um das Jahr 1000 v. Chr. begann offenbar auch das einfache Volk im Land, den potentiellen Wert der Pflanze zu erkennen. Leider verfügen wir über relativ wenig historische Daten zum Cannabisgebrauch in dieser Ära.
Wäre es denkbar, dass das Wissen der alten Ägypter über Cannabis auch auf andere mit Gesundheit und Körper verbundene Anwendungsbereiche übertragen wurde? Möglich. In seinem großen Epos »Die Odyssee« erklärt Homerus, in Ägypten sei »jeder ein begabter Arzt«. Jeder bedeutete in diesem Zusammenhang sogar die Frauen – und das galt in jenen Tagen durchaus als Seltenheit. Tatsächlich waren einige der ersten ägyptischen Ärzte Frauen, die für ihre Heildienste bezahlt wurden; andere Frauen waren als ausgebildete Hebammen tätig.
Ein abschließender auf einer Papyrusrolle überlieferter Bericht stammt aus dem Jahr 200 n. Chr.: der Wiener Papyrus. Darin wird Cannabis als Arzneimittel zur Behandlung von Tumoren, Ohrenschmerzen und Fiebererkrankungen erwähnt. Für einige Fälle empfiehlt der Wiener Papyrus, Cannabis in Verbindung mit Akazie zu verwenden. Obwohl dieser Text nicht wirklich aus der Antike stammt, bezieht er sich auf Wissen, das im Lauf von früheren Epochen angesammelt wurde.
Schwierigkeiten mit der Übersetzung dieser alten Texte erschwert es, ein umfassendes Bild von der Verwendung von medizinischem Cannabis im alten Ägypten zu gewinnen, obwohl Forscher wie Dr. Greg Gerdeman der Meinung sind, dass sich die antike Bezeichnung Shemshemet mit großer Wahrscheinlichkeit auf Cannabis beziehe. Mit Sicherheit darf man feststellen, dass die alten Ägypter in der Medizin ihres Zeitalters weltweit führend waren – und dass sie diese Führungsstellung vor allem ihren Kenntnissen über Heilpflanzen wie Cannabis verdankten.Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass man auch heute noch von ihrem Wissen lernen kann. Folgendes Zitat von Dr. Russo bringt das vielleicht am besten zum Ausdruck: »Informationen, die sich im Lauf der Geschichte über die Verabreichung von Cannabis angesammelt haben, mögen wertvolle Ansätze für weiterführende Forschungsarbeiten bieten.« Es ist denkbar, dass sich uns die Weisheit der alten Ägypter schon in naher Zukunft vollständig erschließt.
Sign up for bi-weekly updates, packed full of cannabis education, recipes, and tips. Your inbox will love it.