Wenn Sie sich schon ein bisschen mit Cannabis beschäftigt haben, sind Sie sicherlich auch dem Endocannabinoid-System begegnet. Es ist dafür zuständig, das innere Gleichgewicht im menschlichen Körper – die Homöostase aufrechtzuerhalten. Obwohl oft erwähnt, wird diese Funktion selten erklärt. Wenn man jedoch versteht, wie das Endocannabinoid-System zur Homöostase beiträgt, versteht man auch, dass cannabisbasierte Medikamente bei verschiedenen Krankheiten helfen (oder sie in einigen Fällen auch verschlechtern) könnten.
In diesem Artikel werden wir uns also mit der Homöostase beschäftigen und herausfinden, wie sich Cannabiskonsum auf diese wichtige Funktion auswirken könnte.
Was ist die Homöostase?
Das Wort „Homöostase“ stammt von den griechischen Wörtern homeo für „ähnlich“ oder „gleich“ und stasis für „stabil“ ab. Im Wesentlichen bezieht sich dieser Begriff auf einen Zustand der Stabilität bzw. des Gleichgewichts im Körper – obwohl er auch auf das innere Gleichgewicht von Zellen oder anderen Systemen angewendet werden kann. Beim Menschen ist die Aufrechterhaltung der Homöostase die Methode, mit der unsere natürlichen Systeme die Bedingungen im Körper optimal für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden halten. Wenn sich die Bedingungen intern oder extern verändern, werden bestimmte Mechanismen gestartet, um dafür zu sorgen, dass unser Körper nicht unter der Veränderung leidet. Im Rahmen dieser Mechanismen werden Hormone in den Blutkreislauf abgegeben, die dann körperliche Reaktionen hervorrufen und so dieses empfindliche Gleichgewicht aufrechterhalten. Dies wird als Feedback-Regulierung bezeichnet und ist der grundlegende Mechanismus, wie die Homöostase aufrechterhalten wird.
Nehmen wir zum Beispiel den Mechanismus, wie sich der Körper an Temperaturschwankungen anpasst. Normalerweise fühlt sich der menschliche Körper bei einer Körpertemperatur von rund 37 °C am wohlsten. Wenn sich der Körper jedoch über diese normalen Temperaturen hinaus erwärmt, startet er eine automatische Reaktion: Schwitzen, um die Haut zu befeuchten und die Temperatur zu senken. Wenn wir frieren, schwitzen wir weniger und die Durchblutung der Haut wird verringert.
Diese Reaktionen fallen in die Kategorie „negative Feedback-Regulierung“. Negativ bedeutet hier nicht, dass das Feedback schlecht oder problematisch ist, sondern dass es sich um eine gegensätzliche Antwort handelt. Wenn die Bedingungen nicht ideal sind, reagiert unser Körper mit einer Art negativem Feedback, um die Bedingungen wieder in Ordnung zu bringen. In diesem Fall haben wir eine natürliche negative Feedback-Schleife: Wenn die Körpertemperatur zu hoch wird, wird sie gesenkt und wenn sie zu niedrig wird, wird sie erhöht. Unabhängig davon, ob eine Temperaturabsenkung oder -erhöhung erforderlich ist: Das negative Feedback verschiebt die Körpertemperatur zurück in Richtung Idealzustand, um die Homöostase aufrecht zu erhalten.
Die positive Feedback-Regulierung ist eine weitere Möglichkeit, um die Homöostase aufrecht zu erhalten, aber sie kommt seltener vor. In diesem Fall wird die Änderung beschleunigt und nicht verlangsamt. Bei stillenden Müttern bewirkt beispielsweise das Saugen des Babys, dass Prolaktin (das für die Milchproduktion verantwortliche Hormon) in die Blutbahn der Mutter freigesetzt wird. Wenn das Baby weiter saugt, wird proportional mehr Prolaktin freigesetzt.
Es gibt viele verschiedene Mechanismen, mit denen der Körper sein Gleichgewicht, ähnlich zu dem bei der Temperaturregulation, aufrechterhält. An diesen homöostatischen Reaktionen sind unterschiedliche Systeme im Körper beteiligt, wie zum Beispiel die Atemwege, das endokrine System, das Fortpflanzungssystem, das Harnsystem und das Nervensystem.
Das Endocannabinoid-System und die Homöostase
Das Endocannabinoid-System ist ein wichtiges System zur Regulierung der Homöostase. Es kann ebenso durch Phytocannabinoide (die aktiven chemischen Bestandteile in Cannabis) stimuliert werden, spielt aber auch ohne jegliche Hilfe von Cannabis eine bedeutsame Rolle im Körper. In Studien wurde herausgefunden, dass es auf natürliche Weise zahlreiche Funktionen moduliert, zum Beispiel:
- Schlaf
- Schmerzen
- Gedächtnis
- Lernen
- Entzündungen
- Hunger
- Antrieb
- Muskelkontrolle
- Temperatur
- Stimmung
Diese Funktionen werden beeinflusst, wenn sich Cannabinoide (körpereigene chemische Botenstoffe) mit den Endocannabinoid-Rezeptoren (wie CB1, CB2 oder TRPV-1) verbinden und eine Kettenreaktion auslösen. Die Aktivierung dieses Systems kann uns müde oder erregt, hungrig oder appetitlos, ängstlich oder entspannt und vieles mehr machen. Anschließend bauen spezielle Enzyme die Endocannabinoide ab und entsorgen sie.
Interessanterweise kann dieses System auch durch die Cannabinoide in Cannabis aktiviert werden. Diese Inhaltsstoffe sind unseren Endocannabinoiden in ihrer Struktur auffallend ähnlich und können sich daher mit unseren Endocannabinoid-Rezeptoren verbinden und so die gleichen Effekte auslösen. Aus diesem Grund kann die Einnahme von Cannabinoiden zu vielen spürbaren Effekten wie Beruhigung, Hunger oder Schmerzlinderung führen.
Das Endocannabinoid-System moduliert und erhält die Homöostase auf vielen verschiedenen Wegen und Wissenschaftler haben sich einige Bereiche genauer angeschaut:
Homöostase des Energieverbrauchs
Ein Bereich der Homöostase, auf den das Endocannabinoid-System Einfluss hat, ist die Homöostase des Energieverbrauchs. Das ist der Mechanismus, mit dem der Körper das Energieniveau durch Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel reguliert. Als Regulatoren des Stoffwechsels sind Endocannabinoide im Allgemeinen anabol, was bedeutet, dass sie die Kalorienaufnahme erhöhen, die Einlagerung fördern und den Energieverbrauch senken.
Eine Möglichkeit, wie Endocannabinoide (und Phytocannabinoide) den Energiestoffwechsel beeinflussen, besteht darin, den Appetit anzuregen. Die Stimulation von CB1-Rezeptoren durch Endocannabinoide wie Anandamid oder Phytocannabinoide wie THC sorgt für einen gesteigerten Appetit. Das ist für Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, keine Überraschung. Es ist seit langem bekannt, dass der Konsum von Cannabis zu einer Appetitsteigerung führen kann, manchmal auch als „Fress-Flash“ bezeichnet.
Darüber hinaus kann das Blockieren der CB1-Rezeptoren zu Appetitlosigkeit führen. So wurden die CB1-Rezeptoren in klinischen Studien durch das Medikament Rimonabant blockiert, was zu einer geringeren Nahrungsaufnahme und damit einhergehend einer Gewichtsabnahme führte. Das Medikament wurde jedoch vom Markt genommen, weil es schwere Stimmungsstörungen verursachte.
Dennoch ist die Appetitregulation nicht der einzige Mechanismus, mit dem das Endocannabinoid-System den Energieverbrauch reguliert. Neben der Eigenschaft den Appetit zu beeinflussen, scheint es auch in den Stoffwechsel einzugreifen. In einer Studie rauchten gesunde Freiwillige beispielsweise Cannabis und nahmen in den folgenden drei Tagen mehr Kalorien auf als üblich, vermutlich durch ihren gesteigerten Appetit. Nach drei Tagen ließ die Appetitsteigerung jedoch nach. Dennoch nahmen die ProbandInnen während der dreiwöchigen Studienzeit an Gewicht zu, was darauf hindeutet, dass Cannabis einen Einfluss auf den Stoffwechsel hat, der über die Steigerung des Appetits hinausgeht.
Ähnliche Ergebnisse gab es mit Studien an Nagetieren: Wurden ihre CB1-Rezeptoren blockiert, haben sie sich schnell an die appetithemmenden Effekte der Behandlung gewöhnt und es konnten gewichtsreduzierende Effekte beobachtet werden. Mäuse, die von Natur aus einen Mangel an CB1-Rezeptoren haben, sind in der Regel auch schlanker als ihre „normalen“ Artgenossen.
Interessanterweise deuten auch andere Untersuchungen darauf hin, dass die Stimulation der CB1-Rezeptoren zu einer Gewichtsreduzierung führen kann. Zum Beispiel sind die Adipositasraten bei CannabiskonsumentInnen niedriger als bei Nicht-KonsumentInnen. Eine Studie ergab, dass Mäuse, denen THC verabreicht wurde, bei einer fettreichen Ernährung weniger Gewicht zulegten als Kontrollgruppen. Tatsächlich schien das THC das Darmbiom der Mäuse zu verändern: Es veränderte sich von einem Adipositas-Profil zu einem Profil gesunder Mäuse.
Das Endocannabinoid-System scheint auch wichtige Stoffwechselfunktionen im Zusammenhang mit Glukoseintoleranz, Insulinresistenz, dem Triglycerid- und dem Cholesterinspiegel zu modulieren. Wenn wir genau verstehen würden, wie das alles zusammenhängt, könnte es zu großen Durchbrüchen in der Forschung zu Diabetes, Übergewicht und dem metabolischen Syndrom kommen, aber dazu bedarf es noch weiterer Forschung.
Eines ist jedoch klar: Das Endocannabinoid-System spielt eine große Rolle bei der Homöostase unseres Energieverbrauchs.
Immunantwort
Das Endocannabinoid-System wurde auch hinsichtlich seiner Rolle bei der Aufrechterhaltung der Homöostase des Immunsystems untersucht. Insbesondere haben sich die WissenschaftlerInnen mit der Rolle des Endocannabinoids Anandamid bei der Aufrechterhaltung der Darmgesundheit beschäftigt. Das Immunsystem des Darms muss in der Lage sein, fremde Antigene (Substanzen, die in der Regel eine Immunantwort auslösen würden) zu vertragen, um die Verdauung zu ermöglichen, aber dieser Prozess wird derzeit noch nicht vollständig verstanden.
WissenschaftlerInnen haben jedoch kürzlich festgestellt, dass Anandamid zu diesem Prozess beiträgt. Wenn Anandamid vom Körper produziert wird und sich mit dem CB2-Rezeptor verbindet, führt es zu einer Erhöhung der Anzahl der CX3CR1hi-Makrophagen (immunsuppressive weiße Blutkörperchen). Durch die Förderung solcher immunsuppressiver weißer Blutkörperchen kann Anandamid dazu beitragen, die Homöostase im Darm und in der Bauchspeicheldrüse aufrechtzuerhalten – auch wenn Antigene vorhanden sind. Obwohl wir noch einen langen Weg vor uns haben, um die Rolle des Endocannabinoid-Systems bei der Homöostase des Immunsystems zu verstehen, zeigen diese Ergebnisse, dass es zumindest teilweise an diesem Prozess beteiligt ist.
Emotionale Homöostase
WissenschaftlerInnen haben auch festgestellt, dass das Endocannabinoid-System entscheidend an der Regulierung von Emotionen und der Stressantwort beteiligt ist. Betrachten wir zum Beispiel, wie Cannabiskonsum Angst und Panikreaktionen beeinflussen kann. Bei niedrigen Dosen bewirkt Cannabis in der Regel Entspannung, während es bei hohen Dosen Angst, Paranoia oder Panik verursachen kann. Diese Effekte werden als biphasisch bezeichnet, was bedeutet, dass dieselbe Substanz unter verschiedenen Bedingungen entgegengesetzte Effekte hervorrufen kann. Biphasische Effekte sind bei Cannabis üblich (wie wir sie bei Gewichtsverlust und Gewichtszunahme gesehen haben) und treten oft dosisabhängig auf.
Während die Stimulation von CB1-Rezeptoren entweder Entspannung oder Angst hervorrufen kann, hat sich gezeigt, dass das Blockieren von CB1-Rezeptoren zu starken Angstgefühlen führt. Wie wir oben in der klinischen Studie mit Rimonabant gesehen haben, wurden die CB1-Rezeptoren blockiert, um den Appetit zu zügeln, was jedoch zu schweren Stimmungsstörungen wie Angst und Depression führte.
Wenn wir also eine zu starke Endocannabinoid-Aktivierung (zum Beispiel wenn PatientInnen hohe Mengen an THC einnehmen) oder eine zu schwache Endocannabinoid-Aktivierung haben (zum Beispiel wenn die CB1-Rezeptoren blockiert werden), wird unsere emotionale Homöostase abgeschaltet. Daher kann die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts der Endocannabinoid-Aktivierung der Schlüssel zur psychologischen Gesundheit und Stabilität sein.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie das Endocannabinoid-System hilft, die Homöostase im Körper aufrechtzuerhalten – und es gibt noch viele weitere Mechanismen. Darüber hinaus hat die Forschung zu diesem wichtigen Thema gerade erst begonnen und in Zukunft werden wir sicherlich besser verstehen, wie genau die Homöostase vom Endocannabinoid-System abhängt.
Einfluss von Cannabis auf die Homöostase
Da wir nun wissen, dass das Endocannabinoid-System bei der Aufrechterhaltung unserer Homöostase hilft, sollten wir auch hinterfragen, welche Auswirkungen der Cannabiskonsum auf diesen Prozess haben könnte. Schließlich aktivieren die Cannabinoide in Cannabis dieses wichtige System auf die gleiche Weise wie natürliche Endocannabinoide, so dass es wahrscheinlich zu einigen Effekten kommen wird.
Und in der Tat zeigen die vielen Wirkungen von Cannabis, sowohl medizinische als auch nachteilige, dass Cannabis uns auf viele Arten beeinflussen kann. In Bezug auf die Aufrechterhaltung der Homöostase könnte Cannabis eine Hilfe sein, aber es könnte auch Schaden anrichten.
Bei gesunden Menschen wirkt das Endocannabinoid-System bereits an der Aufrechterhaltung der Homöostase mit. Wer nun noch mehr Cannabinoide einnimmt, könnte das innere Gleichgewicht seines Körpers stören. was wie oben beschrieben zu Angst, Gewichtszunahme usw. führen kann- Dies kann zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass ein zu hoher Cannabinoidspiegel auch zu einer Desensibilisierung der Endocannabinoid-Rezeptoren führen kann, was im Laufe der Zeit die natürliche Funktion der Endocannabinoide beeinträchtigen kann.
Darüber hinaus kann die Störung der Homöostase durch Cannabis auch Auswirkungen haben, die man vielleicht nicht sofort spürt, aber die schwere Folgen nach sich ziehen können. Forscher haben festgestellt, dass Cannabiskonsum während der Schwangerschaft die Homöostase der Plazenta beeinflussen kann, indem er den natürlichen Anandamidspiegel und die damit verwandten Enzyme stört. Dies kann zu Veränderungen der normalen Plazentaentwicklung und des fetalen Wachstums führen.
Denken Sie also immer daran, dass es beim Endocannabinoid-System ums Gleichgewicht geht. Das heißt, zu viel kann genauso schlecht sein wie zu wenig.
Wenn das Endocannabinoid-System unzureichend arbeitet und nicht genügend Endocannabinoide gibt, bringt auch das unser System aus dem Gleichgewicht. In jüngster Zeit wurde eine Reihe von gesundheitlichen Problemen mit einer beeinträchtigten Funktion der Endocannabinoide in Verbindung gebracht. Laut den Forschern, die dieses Phänomen untersucht haben, könnte in vielen dieser Fälle die Einnahme von Cannabis von Vorteil sein und das Endocannabinoid-Rezeptorsignal wieder auf ein gesundes Niveau bringen. In diesem Fall könnte der Cannabiskonsum also tatsächlich dazu beitragen, das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Wenn Sie erwägen, Cannabis für Ihre eigenen medizinischen Bedürfnisse zu verwenden, wenden Sie sich am besten an einen Cannabinoid-Facharzt. Sie können gemeinsam mit Ihnen entscheiden, ob Cannabis für Ihre spezielle Situation geeignet ist.
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