Nudeln, chinesische Teigtaschen und Papier: wenn man an chinesische Erfindungen denkt, ist das Letzte, was einem in den Sinn kommt, Cannabis. Doch waren die Chinesen das erste Volk, das den medizinischen Gebrauch von Cannabis dokumentierten. Cannabis als Heilmittel war aber nicht der einzige Nutzen, den die Chinesen damals aus der Pflanze zogen.
Schon vor Tausenden von Jahren wurde Cannabis für medizinische Zwecke genutzt. Verschiedene Kulturen konsumierten Cannabis auf unterschiedliche Weisen. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserem Artikel „Die Geschichte des medizinischen Cannabis“. Der Artikel beschäftigt sich speziell mit einem Königreich, zwei Bevölkerungsgruppen und der Cannabis Gattung Hanf.
Hanf? Aber was ist mit Cannabis?
Hanf ist eine Cannabis Gattung, die bekannt ist für ihre Stärke und Haltbarkeit. Bis heute ist Hanf deshalb für den industriellen Gebrauch von Bedeutung. Die Chinesen verwendeten die Pflanze zur Produktion von Bogensehnen und Textilien. Wohingegen die heutige Industrie Autositze, Papier und sogar Treibstoffe daraus herstellt.
Des Weiteren wird Hanf zur Gewinnung von Cannabidiol (CBD) für den privaten Gebrauch benutzt. Cannabis besteht aus verschiedenen Wirkstoffen, CBD bildet dabei prozentual den zweithöchsten Anteil. CBD ist bekannt für seine entzündungshemmenden Eigenschaften und dient als Hilfe bei der Bekämpfung bestimmter Krankheiten, unter anderem auch Parkinson. In vielen Ländern ist CBD legal, da es wenige bis keine Spuren von Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. THC gilt nämlich als der Wirkstoff in Cannabis, der abhängig macht und berauschend wirkt.
Im antiken China war den Menschen jedoch noch nicht bekannt, wie man CBD und THC getrennt voneinander gewinnt. Trotzdem wusste man damals den Nutzen der ganzen Pflanze und ihrer medizinischen und industriellen Qualitäten zu schätzen. Die chinesische Bevölkerung war so stolz auf ihr Wissen, dass sie ihr Land als das „Land der Maulbeeren und des Hanfs“ bezeichnete.
Willkommen im Reich
Die ersten Dokumente über die Geschichte Chinas gehen bis in das Jahr 1250 v. Chr., in die Zeit der Shang Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.), zurück. Cannabis war unter dem Namen ma bekannt und erfreute sich äußerster Beliebtheit in allen sozialen Schichten. Neben der Verwendung als strategisches Mittel in der Kriegsführung des Kaisers, war Hanf unabdingbar als Material in der Textilherstellung. Das einfache Volk konnte es sich damals nicht leisten traditionelle chinesische Seide zu tragen, deshalb trugen sie Kleidung aus Hanf – bis zum Zeitpunkt der Eroberung Chinas durch die Mongolen um 1200 n. Chr. Sie brachten die Baumwolle nach China.
Trotzdem war die wichtigste Erfindung im antiken China das Papier. Zur damaligen Zeit stellte man Papier durch das Zusammenpressen von Hanffasern und der Rinde des Maulbeerbaumes her. Im nächsten Schritt wurde der entstandene Brei in Wasser getaucht. Sobald die verwobenen Fasern an der Oberfläche schwammen, wurden sie entnommen und in eine spezielle Form zum Trocknen gelegt. Spuren von Textilien und Papier aus Cannabis fand man im Grab des Kaisers Wu (Han Dynastie), das im 1. Jahrhundert v.Chr. angelegt wurde.
Die Samen der Hanfpflanze, auch genannt ma ren hua, fand man in einer anderen gut erhaltenen, rund 2100 Jahre alten Grabstätte in der Hunan Provinz. Forscher nehmen an, dass die Hanfsamen als Nahrungsmittel dienten, da man sie neben zahlreichen anderen Getreidesorten fand. Jedoch ist unklar, welche Gerichte man aus den Hanfsamen herstellte. Es wird aber vermutet, dass Brei eine der Verarbeitungsformen war. Brei im Allgemeinen war vor allem das bevorzugte Nahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung. Verwendung fanden Breie außerdem als Heilmittel zur äußerlichen Behandlung von Hautkrankheiten, Wunden und sogar als Mittel gegen Haarausfall. In späteren Jahren wurden die Samen als Zutat zum Braten von Lebensmitteln in diversen Aufzeichnungen erwähnt. Erst im 10. Jahrhundert zählten Hanfsamen nicht mehr zu den Hauptgetreidesorten in China. Bis heute werden Hanfsamen jedoch in Nepal zur Herstellung für Öl benutzt.
Es ist unklar, ob die Menschen im antiken China die psychoaktive und berauschende Wirkung des Cannabis nutzten. Vor einigen Jahren erst fanden Forscher einen Vorrat von über einem Kilogramm rund 2700 Jahre altem Cannabis in einem Grab in der Gobi Wüste. Weil das versteckte Cannabis kein Hanf war, glaubt man, dass es für andere Zwecke als der Textilien- und Seilherstellung verwendet wurde. Forscher sind zu dem Schluss gekommen, dass wohl der medizinische Zweck im Vordergrund stand.
Medizinischer Gebrauch
Der Rote Kaiser
Cannabis wird zum ersten Mal im antiken China in dem pharmazeutischen Buch „Das Buch heilender Kräuter“ (Pen Ts‘ao) erwähnt. Obwohl das Original des Buchs verloren ging, ist laut einer Legende der rote Kaiser höchstpersönlich der Autor des Buchs, das um 2500 v. Chr. entstanden sein soll. Dadurch bekam er den Beinamen „Vater der chinesischen Medizin“.
Der Rote Kaiser, Shennong (2838-2698 v. Chr.), herrschte dem Mythos zufolge 140 Jahre über China. Normalerweise wird er mit einem Mantel aus grünen Blättern dargestellt. Glaubt man dem Mythos, so begann er das Buch Pen Ts’ao als eine Aufzeichnung über alle Pflanzen zu schreiben, die man im antiken China als Heilmittel verwendete. Er testete Gifte und deren Gegenmittel an sich selbst aus, bevor er Hunderte von Arzneimitteln auflistete, die aus pflanzlichen, tierischen und mineralischen Quellen stammten. Eines dieser Heilmittel gewann man aus der Pflanze mit dem Namen ma, was in diesem Fall Cannabis ist.
Allerdings verhielt ma sich nicht wie jedes andere damals bekannte Heilmittel. Die Wirkungen wurden als widersprüchlich beschrieben, wie Yin und Yang. Yin (weiblich) repräsentiert Schwäche, Passivität und einen negativen Einfluss auf die Natur. Yang (männlich) hingegen steht für Stärke, Aktivität und männliche Kraft. Wenn beide Kräfte im Einklang sind, halten Yin und Yang den Körper fit und sorgen für Harmonie. Weil die weibliche Cannabispflanze mehr Medizin produzierte, bauten chinesische Bauern mehr weibliche als männliche Pflanzen an, um die „Nebenwirkungen“ von Yin zu beseitigen. Zu „Nebenwirkungen“ von Yin zählten unter anderem die weibliche Menstruation, Malaria, Beriberi, Verstopfungen, Rheuma und Geistesabwesenheit.
Chirurgischer Gebrauch
Die ersten chinesischen Mediziner führten nur oberflächliche Operationen am Menschen durch, um beispielsweise Furunkel, Geschwüre aller Arten oder kleine äußerliche Tumore zu entfernen. Als erster Arzt in China benutzte Hua Tuo Cannabis als Anästhetikum. Die Legende besagt, dass er die medizinischen Eigenschaften von Pflanzen entdeckte, als er die Wunden eines verletzten Rehs behandelte. Aus Neugier testete er einige Pflanzen an sich selbst aus, um zu sehen, welches der Kräuter seine Zunge betäubt.
Im zweiten Jahrhundert n. Chr. nutzte Hua Tuo eine spezielle Mischung aus Cannabisharz und Wein (ma-yo), um Schmerzen bei Operationen zu lindern. Das erlaubte ihm unter anderem Operationen an inneren Organen vorzunehmen, die man mit traditionellen Akupunkturnadeln nicht erreichen konnte. Er schaffte es dadurch sogar komplizierte Schnitte im Brust- und Lendenbereich durchzuführen.
Bis heute ist Hua Tuo in China als der „Gott der Operationen“ bekannt. Seine wegweisende Arbeit in der Anästhesie ist auch bekannt als ma-fei-san, was frei übersetzt so viel wie „ein sprudelnder Wein“ bedeutet. Allerdings sind die Aufzeichnungen über die genaue Zusammensetzung seiner Texturen verloren gegangen.
Laut dem Roman „Die Geschichte der Drei Reiche“ aus dem 14. Jahrhundert gibt es diese Aufzeichnungen nicht mehr, da Hua Tuo von einem seiner Patienten und gleichzeitigem Kriegsherren (Cao Cao) gefangen genommen wurde. Cao Cao bezichtigte ihn des Mordes, da Hua Tuo bei ihm eine riskante Schädeloperation anordnete. Infolge dessen übergab Hua Tuo einem der Gefängniswärter sein Lebenswerk, damit die Menschen auch nach seinem Tod noch Zugang zu seinem Wissen haben konnten. Die Frau des Wärters verbrannte jedoch die meisten der Seiten. Der Gefängniswärter konnte nur einen kleinen Teil retten.
Hausmittel
Der Text „Illustrated Classics of Marteria Medica“ (Tu Jing Ben Cao, 1070 n. Chr.) aus der Zeit der Song Dynastie, erwähnt ein Rezept mit Cannabis als Zutat, das Schmerzen, die zu Bewegungsunfähigkeit führen, lindern sollte. Im Rezept wird näher erläutert, auf welche Weise man das Cannabis verarbeitete. Die Cannabis Samen wurden in Wasser eingelegt, der entstandene Bodensatz daraufhin gesammelt, in einer Pfanne gebraten und anschließend zu einem feinen Pulver zermahlen. Danach wurde das entstandene Pulver mit Alkohol aufgekocht und auf leeren Magen eingenommen. In späteren Texten war dieses Rezept unter dem Namen „Cannabissamen-Wein“ (da ma den jiu) bekannt. Möglicherweise war das Rezept für Leute mit Knochenmarkserkrankungen und zur Behandlung von Schmerzen, die Bewegungen erschweren, gedacht.
Cannabis war außerdem Bestandteil in antiken Schmerzmitteln. Die Schrift „Heart Text of Bian Que“ (Bian Que Xin Shu, 1127-1270 n. Chr.) erwähnt eine Cannabispflanze mit dem Namen mahua, die in Kombination mit Pflanzen der Gattung der Stechäpfel als ein Anästhetikum diente. Diese Formel sollte die Schmerzempfindung verringern und war bekannt als das „kluge Schlafpulver“ (shui sheng san). Laut Überlieferungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert verwendete man die Cannabis Pflanze darüber hinaus als Bestandteil in Anästhetika.
Cannabis als wissenschaftliche Disziplin
Fast eintausend Jahre bevor es das erste Pendant im Westen gab, gründete China eine medizinische Schule. Während der Regierungszeit der Tang Dynastie (um 630 n. Chr.) lehrte die Schule, neben anderen Kräutersorten, auch die vielfältige Nutzbarkeit und die Eigenschaften von medizinischem Cannabis.
Zur Zeit der Sung Dynastie stattete die Regierung einige medizinische Schulen aus, damit sie Ärzte ausbilden konnten. Zu dieser Zeit begann die Standardisierung von medizinischen Rezepturen.
Etwa einhundert Jahre später veröffentlichte der medizinische Autor Li Shi Chen (1517-1593) eine Überarbeitung des Buchs „Das Große Kraut der Medizin“. Li Shi Chen modernisierte die Sprache, aktualisierte die Liste der Medikamente und entfernte Einträge von Pflanzen, die er als „minderwertige Drogen“ beurteilte. Seine Version des Pen Ts’ao führt ungefähr 2000 Heilmittel auf (einschließlich Cannabis) und auch heute noch genutzt.
Dennoch fanden Forscher durch Texturanalysen heraus, dass die psychotropen Eigenschaften von Cannabis in der chinesischen Medizin angewendet kaum Anwendung fanden oder immer weniger prominent wurden. Der Grund dafür mag wohl sein, dass die einzelnen Teile der Pflanze in der Literatur mit der Zeit immer weniger genau beschrieben wurden. In bencao Literatur (alte medizinische Texte) beispielsweise hat man auf die Beschreibung des weiblichen Blütenbildung verzichtet. Eine weitere Ursache könnte das ungenaue Wissen über die verschiedenen Teile der Pflanze sein und wie diese wirken. Folglich entstand dadurch eine limitierte Nutzung der Pflanze und gewisses Unwissen, das auch spätere Autoren noch an den Tag legten.
Damals und heute
Im antiken China war Hanf kein Fremdwort. Die Chinesen waren sogar stolz auf die vielen verschiedenen Arten der Verwendung, die sie entwickelten. Hanf war ein weitverbreiteter Rohstoff für die Herstellung von Textilien und Papier. Im Krieg bot es den chinesischen Soldaten einen Vorteil gegenüber ihren Gegner, da die chinesischen Bögen aus einem kräftigeren und stärkeren Material als dem schwachen Bambus hergestellt waren.
Die medizinischen Eigenschaften von Cannabis wurden dank des Roten Kaisers schon früh entdeckt und anerkannt. Sie wurden auch im medizinischen Bereich für viele Jahre benutzt, wahrscheinlich schon vor 4000 Jahren v. Chr. In den ersten medizinischen Schulen lehrte man die Anwendung von medizinischem Cannabis. Daraufhin benutzten die ersten Chirurgen Cannabis als Anästhetikum bei schmerzhaften Operationen. Wie viele andere medizinische Kräuter fand Cannabis als Hausmittel bei der Linderung von Schmerzen und ähnlichen Beschwerden Einsatz.
Zahlreiche antike Texte wurden erst für die westliche Welt offengelegt, als Rotchina sich selbst im Jahre 1980 wieder öffnete. Heutzutage ist Cannabis streng verboten in China. Dennoch werden alte Schriften, die Cannabis erwähnen, genau erforscht und in westliche Sprachen übersetzt. So wissen wir heute mehr darüber, wie die Pflanze damals genutzt wurde und welche Eigenschaften bis heute relevant sind.
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