Überblick
Immer mehr Menschen mit einer PTBS wenden sich einer Behandlung mit medizinischem Cannabis zu. Es wurde in einigen Ländern und US-Bundesstaaten zur Behandlung von PTBS zugelassen und es werden immer mehr Studienergebnisse über seine Wirkungsweise veröffentlicht.
Die Forschung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen und in der medizinischen Fachwelt gibt es noch keinen Konsens darüber, ob Cannabis PTBS-PatienInnen wirklich hilft. Doch während die Forschung hinterherhinkt, vor allem aufgrund des jahrelangen Verbots von Cannabis, berichten viele PTBS-PatienInnen selbst, dass es ihnen hilft – nicht nur bei den primären Symptomen, sondern auch bei der Behandlung der Nebenwirkungen der PTBS, nämlich Schlafstörungen und Angstzustände.
Darüber hinaus untersuchen einige Forscher aufgrund der Rolle des Endocannabinoid-Systems bei der Regulierung des Gedächtnisses, wie medizinisches Cannabis dem Gehirn helfen könnte, traumatische Erinnerungen zu „überschreiben“.
PTBS und das Endocannabinoid-System
Das körpereigene Endocannabinoid-System besteht aus Endocannabinoiden und Cannabinoid-Rezeptoren, die zusammenwirken, um das natürliche Gleichgewicht des Körpers (Homöostase) aufrechtzuerhalten. Es kann wichtige Funktionen wie Gedächtnisaufbau, Verringerung von Entzündungen, Hunger, Muskelkontrolle, Schlaf, Stimmung und Schmerzreaktion beeinflussen.
Endocannabinoide sind vom menschlichen Körper produzierte Moleküle, die den aktiven chemischen Bestandteilen von Cannabis sehr ähnlich sind, als Botenstoffe fungieren und Signale an die Cannabinoid-Rezeptoren senden. Die im gesamten menschlichen Körper vorkommenden Cannabinoid-Rezeptoren, vor allem CB1 und CB2, verbinden sich mit den Cannabinoiden, um verschiedene Körperfunktionen zu regulieren.
Auch Phytocanabinoide, also von der Cannabispflanze produzierte Cannabinoide, interagieren mit den CB1- und CB2-Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems und erzeugen so viele der medizinischen Wirkungen der Cannabispflanze.
Bei einer PTBS könnte die Aktivierung dieser Rezeptoren besonders hilfreich sein. Das Endocannabinoid-System spielt eine große Rolle bei der Stressreaktion als auch beim Gedächtnisaufbau, was beides starke Faktoren bei einer PTBS sind.
Bei der Gedächtnisbildung ist der CB1-Rezeptor für ein Phänomen namens Extinktionslernen verantwortlich. Bei diesem Prozess werden alte Erinnerungen mit neuen Informationen überschrieben. Wenn Menschen mit PTBS an ihre traumatischen Erfahrungen denken oder darüber sprechen, macht der Körper jedes Mal wieder dieselbe Reaktion durch wie beim ersten Erleben der Situation.
Normalerweise lassen sich traumatische Erinnerungen mit neuen Erinnerungen überdecken, aber bei PatientInnen mit PTBS und extremer Angst kann diese Funktion durch einen Mangel an Endocannabinoiden beeinträchtigt sein. Tatsächlich haben Forscher festgestellt, dass eine abgeschwächte Funktion des Endocannabinoid-Systems nach einem stressinduzierenden Ereignis ein Faktor für die Entwicklung von Angststörungen wie PTBS sein kann.
- Andrew Sewell, Associate Professor für Psychiatrie in Yale, hat die Theorie aufgestellt, dass die Stimulation der CB1-Rezeptoren mit Cannabinoiden nicht nur die Symptome einer PTBS lindern, sondern auch aktiv die Erkrankung heilen könnte, da so das Extinktionslernen stattfinden kann und traumatische Erinnerungen überschrieben werden können. Seine Untersuchungen zu diesem Thema laufen derzeit noch, so dass nur die Zeit zeigen wird, ob seine Theorie klinisch bestätigt werden kann.
Ein häufiges Symptom bei PTBS ist jedoch eine schlechte Schlafqualität – aus einer Vielzahl von Gründen. Cannabis kann sowohl bei der Linderung der Hauptsymptome der PTBS, wie zum Beispiel Schlafstörungen, helfen als auch indirekt die Krankheit selbst behandeln.
Forschung zu PTBS und Cannabis
Die Forschung zu Cannabis und PTBS befindet sich noch in der Anfangsphase und die Experten sind sich nicht einig, ob es sich um eine hilfreiche oder schädliche Lösung handelt. Dies ist weitgehend auf den rechtlichen Status von Marihuana und Forschungseinschränkungen in der Vergangenheit zurückzuführen. Dennoch gibt es einige vielversprechende Forschungsergebnisse zu PTBS und Cannabis.
Zum einen zeigen Einzelfallberichte, dass viele Menschen mit PTBS Cannabis konsumieren oder konsumiert haben, um ihren Zustand zu regulieren.
Man kann die starke Unterstützung für den Konsum von medizinischem Cannabis bei PTBS sehen, indem man die beim Arizona Department of Health Services eingereichten Kommentare liest, warum PTBS in die Liste der zulässigen Erkrankungen, bei denen Cannabis verschrieben werden kann, aufgenommen werden sollte. Das Dokument ist voller Zitate von PTBS-Betroffenen, die den Cannabiskonsum loben, wie zum Beispiel:
„Bei mir hat Cannabis besser geholfen als verschreibungspflichtige Medikamente.“
„Medizinisches Cannabis hat mir bei meiner PTBS enorm geholfen.“
„Marihuana ist das einzige Mittel, das mir mein Leben zurückgegeben und mir geholfen hat, meine Symptome zu kontrollieren.“
„Ich habe eine PTBS. Jetzt nehme ich Cannabis und muss nicht mehr 10 Tabletten am Tag schlucken. Das hat mein Leben verändert und jetzt kann ich es wieder genießen.“
Wissenschaftler haben diese Berichte ernst genommen und untersucht, ob PTBS-PatientInnen, die Cannabis konsumieren, allgemein von Verbesserungen berichten. Nehmen wir zum Beispiel diese Metarezension aus dem Jahr 2015 im American Journal of Health-System Pharmacy, die ergab, dass „eine beträchtliche Anzahl von Kriegsveteranen Cannabis oder Cannabis-Produkte zur Kontrolle ihrer PTBS-Symptome verwenden. Einige Patienten berichten von einer Verbesserung ihrer Angstsymptome, ihrer Schlaflosigkeit und ihrer Bewältigungsstrategien.“ Diese Studie ergab auch, dass Cannabis die Schwere der PTBS-Symptome verringert.
Natürlich lässt sich bei solchen Einzelfallberichten immer schwierig sagen, inwiefern der Placebo-Effekt greift und was wirklich gegen die Erkrankung hilft. Deswegen müssen immer auch aktuelle Forschungsberichte beachtet werden. Und tatsächlich gibt es Untersuchungen, die diese Patientenberichte untermauern.
Wir wissen zum Beispiel schon, dass Cannabis die Stressreaktionen verringern kann. In einer Studie wurden mit ProbandInnen, die entweder Cannabis konsumierten oder nicht, Stresstests durchgeführt, wie zum Beispiel das Lösen von Rechenaufgaben vor einem Publikum oder das Eintauchen der Hände in Eiswasser. Dabei kam heraus, dass die CannabiskonsumentInnen während des Tests weniger Stresssymptome zeigten als die Nicht-KonsumentInnen. Noch interessanter waren die Testergebnisse, die zeigten, dass CannabiskonsumentInnen weniger Cortisol (ein Hormon, das Stress anzeigt) im Blut hatten als diejenigen, die kein Cannabis konsumierten.
Dies deutet darauf hin, dass CannabiskonsumentInnen mit PTBS eine verringerte Stressreaktionen haben könnten.
Andere Studien haben sich speziell mit dem Cannabiskonsum von PTBS-PatientInnen beschäftigt und ähnliche Ergebnisse gebracht. Eine Studie ergab zum Beispiel, dass die PTBS-Symptome bei CannabispatientInnen im Vergleich zu Nicht-KonsumentInnen um mehr als 75% reduziert wurden.
Eine weitere Studie ergab, dass der Cannabiskonsum zu statistisch signifikanten Verbesserungen bei der Schwere der allgemeinen Symptome, der Schlafqualität, der Häufigkeit von Alpträumen und den Symptomen der Übererregung führte.
Aber nicht alle Studien ergaben eine Verbesserung der PTBS-Symptome durch Cannabis. Cannabis kann zwar Angst lindern, aber Studien zeigen, dass es auch Angst verursachen kann. Die gleichen Cannabinoide, die in niedrigen Dosen die Angst lindern, können sie bei höheren Dosen verstärken.
Es gab auch Beobachtungsstudien mit PTBS-PatientInnen, die negative Auswirkungen einer Cannabisbehandlung ergaben. In einer Studie mit an PTBS erkrankten Kriegsveteranen, die an einem viermonatigen Behandlungsprogramm teilnahmen, ergab, dass die Teilnehmer, die nach der Behandlung mit dem Cannabiskonsum begannen, schlimmere PTBS-Symptome wie gewalttätiges Verhalten und hohen Alkoholkonsum zeigten. Diese Autoren warnen davor, dass Cannabis die PTBS-Symptome verschlimmern oder den Nutzen einer spezialisierten, intensiven Behandlung zunichtemachen kann. Natürlich muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass schon ein hoher Alkoholkonsum allein mit gewalttätigem Verhalten einhergeht und zu dem in dieser Studie beobachteten gewalttätigen Verhalten beitragen kann. Statistisch ist Alkoholkonsum außerdem mit Cannabiskonsum korreliert. Es ist auch bekannt, dass Cannabis bei einigen Menschen eine Psychose verursachen kann, so dass bei PatientInnen mit Halluzinationen oder Wahnvorstellungen Vorsicht geboten ist.
Allerdings ist sich die Wissenschaft bei größeren Metarezensionen der Datenlage uneinig, ob Cannabis bei PTBS eher hilft oder eher schadet. Sowohl in der Metarezension der National Academy of Sciences 2017 als auch in einer neueren Rezension zu PTBS und Cannabis von 2018 berichten die Autoren, dass es einfach nicht genügend Daten gibt, um sicher zu wissen, ob Cannabis hilft. Es muss eine intensivere klinische Forschung stattfinden, bevor wir sagen können, welchen Einfluss Cannabis auf eine PTBS hat.
Glücklicherweise ist ein Teil dieser Forschung bereits im Gange. Die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) – eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Forschung an medizinischem Cannabis einsetzt – hat gerade die erste dreifach verblindete Studie zu gerauchtem Cannabis bei PTBS durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie werden derzeit analysiert und zur Veröffentlichung vorbereitet. Obwohl wir die Ergebnisse der Studie noch nicht kennen, wissen wir schon, dass in dieser Studie vier verschiedene Potenzen von Cannabis untersucht wurden, um zu prüfen, ob bestimmte Wirkstoffmischungen effektiver (oder kontraproduktiver) sein könnten als andere. Indem sie diesen Faktor untersuchen, hoffen die Forscher, Klarheit in die Frage zu bringen, warum einige Studien eine Verschlechterung der Symptome ergeben, während es bei anderen zu einer Verbesserung kommt. Es kann sein, dass bestimmte Cannabisarten hier besser helfen als andere.
Cannabis gegen PTBS
Basierend auf den oben genannten Untersuchungen lässt sich schwierig sagen, wie Cannabis eine PTBS beeinflussen könnte. Bei einigen Patienten scheint die Verwendung von Cannabis Symptome wie erhöhte Angst vor auslösenden Reizen, schlechte Schlafqualität, Alpträume und Übererregung zu lindern. Aber es gibt laut anderen Studien immer noch ein gewisses Risiko, dass Cannabis Symptome wie gewalttätiges Verhalten und übermäßigen Alkoholkonsum verschlimmern könnte.
Wer also Cannabis gegen seine PTBS einnehmen möchte, sollte am besten mit einem Arzt oder einem Cannabinoid-Experten sprechen. Diese medizinischen Fachleute können prüfen, ob Cannabis die richtige Behandlung für Sie ist.
Bevor Sie mit dem Cannabiskonsum beginnen, sollten Sie auch prüfen, ob Cannabis in Ihrem Land zur Behandlung von PTBS überhaupt zugelassen ist.
Derzeit können Patienten mit PTBS und einer ärztlichen Empfehlung oder Verschreibung in den folgenden Ländern Cannabis konsumieren:
- Österreich
- Brasilien
- Kambodscha
- Kanada
- Chile
- Kolumbien
- Ecuador
- Estland
- Finnland
- Deutschland
- Griechenland
- Guam
- Israel
- Peru
- Philippinen
- Polen
- Puerto Rico
- Spanien
- Uruguay
Wenn Sie eine PTBS und eine ärztliche Empfehlung haben, können Sie auch in folgenden US-Bundesstaaten Cannabis konsumieren:
- Arizona
- Arkansas
- Kalifornien
- Colorado
- Connecticut
- Delaware
- District of Columbia
- Florida
- Hawaii
- Illinois
- Louisiana
- Maine
- Maryland
- Massachusetts
- Michigan
- Minnesota
- Missouri
- Montana
- Nevada
- New Jersey
- New Mexico
- New York
- North Dakota
- Ohio
- Oklahoma
- Oregon
- Pennsylvania
- Utah
- Vermont
- Washington
- West Virginia
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