Überblick
Cannabis wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte gern zur Linderung von Entzündungen und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass das körpereigene Endocannabinoid-System die Immunfunktion reguliert und eine Rolle bei der Entstehung und Unterdrückung von Autoimmunerkrankungen, einschließlich Lupus, spielen kann.
Diese Interaktion liefert eine plausible Erklärung dafür, warum einige Lupus-Betroffene Linderung durch Cannabis finden. Was ist der Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoid-System und Lupus? Kann Cannabis eine natürliche Alternative oder Ergänzung zu Arzneimitteln sein? Was Sie wissen müssen:
Das Endocannabinoid-System
Das Endocannabinoid-System (ECS) besteht aus Endocannabinoiden, ihren Rezeptoren und den Enzymen, die sie synthetisieren und abbauen. Es hilft unserem Körper, einen gesunden Gleichgewichtszustand (Homöostase) aufrechtzuerhalten. Erst in den 90er Jahren entdeckt, spielt dieses System eine wichtige Rolle für die menschliche Gesundheit und reguliert die Immunfunktion, Stimmung, Kognition, Schmerz, Schlaf, Stoffwechsel und andere wichtige Prozesse.
Die Hauptkomponenten des Endocannabinoid-Systems sind die Endocannabinoide Anandamid und 2-AG, die bei Bedarf im Körper produziert werden. Diese Verbindungen wirken über zwei Cannabinoid-Rezeptoren: CB1- und CB2-Rezeptoren. Während CB1-Rezeptoren reichlich im zentralen Nervensystem vorhanden sind, kommen CB2-Rezeptoren vor allem in Immunzellen vor, was die Rolle des Endocannabinoid-Systems bei der Regulierung des Immunsystems unterstreicht.
Diese Rezeptoren interagieren auch mit Phytocannabinoiden (pflanzlichen Cannabinoiden) wie CBD und THC, was erklärt, wie Cannabis Prozesse im Körper beeinflussen kann.
Immunfunktion
Das Endocannabinoid-System spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Immunfunktion und damit der Entstehung oder Unterdrückung von Entzündungen.
Vor allem Endocannabinoide beeinflussen nachweislich das Wachstum und Überleben von Immunzellen, die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, die Aktivierung von Immunzellen und die Migration von Entzündungszellen. Zusammengenommen sind diese Effekte besonders nützlich, um eine übermäßige Aktivierung und Entzündung des Immunsystems, was Autoimmunerkrankungen charakterisiert, zu reduzieren.
Tatsächlich zeigen jüngste Forschungsergebnisse, dass das Endocannabinoid-System an Erkrankungen beteiligt ist, die mit Autoimmunität und Entzündungen einher gehen, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Zöliakie und rheumatoide Arthritis.
Eine Studie ergab zum Beispiel, dass Menschen mit Multipler Sklerose im Vergleich zu gesunden Probanden einen höheren Anandamidspiegel im Gehirn hatten. Ähnliches kam 2008 in einer Studie mit Arthritispatienten heraus: Sie alle hatten einen erhöhten Anandamid- und 2-AG-Spiegel in ihrer Gelenkflüssigkeit.
Schließlich ergab eine Studie aus dem Jahr 2013 bei Menschen mit Zöliakie, dass sie in den Teilen des Verdauungstraktes, die von der Erkrankung betroffen waren, einen höheren Gehalt an CB1- und CB2-Rezeptoren hatten und dass sich diese Werte in der Erholungsphase der Erkrankung wieder normalisierten.
Das Endocannabinoid-System & Lupus
Studien, die sich speziell mit dem Endocannabinoid-System bei LupuspatientInnen befassen, sind rar. Dies ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Forschung zu Cannabis bis vor Kurzem weltweit aufgrund seines rechtlichen Status so gut wie verboten war.
In der einzigen großen Studie zu diesem Thema wurde der Endocannabinoid-Spiegel von gesunden Menschen und Menschen mit Lupus verglichen. Dabei kamen zwei wichtige Ergebnisse heraus:
- Menschen mit Lupus hatten einen erhöhten 2-AG-Spiegel, dem wichtigsten Endocannabinoid, das an CB2-Rezeptoren bindet.
- Es gab einen Zusammenhang zwischen einem höheren 2-AG-Spiegel und einer geringeren Krankheitsaktivität, was darauf hindeutet, dass das Endocannabinoid-System den Lupus effektiv unterdrückt.
Die Forscher in dieser Studie kamen zu dem Schluss, dass „unsere Daten bestätigen, dass das Endocannabinoid-System Entzündungsreaktionen und Autoimmunität entscheidend moduliert, was ein Nachweis für den Nutzen cannabisbasierter Medikamente zur Unterstützung des Immunsystems darstellt“.
Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass dieses System eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Entzündungen und der Immunreaktion spielt und dass die gezielte Anwendung von cannabisbasierten Medikamenten eine vielversprechende Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie Lupus ist.
Nun sind weitere Studien zur Beteiligung des Endocannabinoid-Systems am Lupus erforderlich, vor allem angesichts dessen, dass Lupus bis heute nicht besonders erfolgreich behandelt werden kann.
Cannabis & Lupus
Es gibt wenig Studien zur Verwendung von medizinischem Cannabis bei LupuspatientInnen. Tatsächlich gibt es in diesem Bereich derzeit nur eine aktive klinische Studie, die sich mit der Wirkung von JBT-101 (Lenabasum), einem synthetischen Cannabinoid-Präparat, bei LupuspatientInnen befasst.
In dieser Studie wird untersucht, ob dieses cannabisbasierte Medikament die mit Lupus einhergehenden Schmerzen und Entzündungen lindern kann, indem es die überaktive Immunantwort, die die Krankheit verursacht, beruhigt. Mit JBT-101 wurden bereits in anderen Studien zu entzündlichen und immunbezogenen Erkrankungen, einschließlich Mukoviszidose und systemischer Sklerose, positive Ergebnisse erzielt.
Es gibt noch viel mehr Hinweise darauf, dass Cannabis die Hauptsymptome des Lupus, nämlich Entzündungen und Schmerzen, lindern kann.
Die entzündungshemmenden Eigenschaften von THC, CBD und anderen cannabisbasierten Präparaten wurden bereits in Tiermodellen und einigen Humanstudien an Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis, Kolitis und Hepatitis nachgewiesen
Eine Studie aus dem Jahr 2006 ergab zum Beispiel, dass das Cannabismedikament Sativex die durch eine rheumatoide Arthritis (RA) verursachten Schmerzen reduziert. Diese Studie ist besonders relevant, da sowohl Lupus als auch RA durch Gelenkschmerzen und Entzündungen, die von einem überaktiven Immunsystem verursacht werden, gekennzeichnet sind.
Ebenso wurden die schmerzlindernden Wirkungen von Cannabis in Dutzenden von Humanstudien berichtet. Vor allem in einer systematischen Rezension aus dem Jahr 2015 von 28 klinischen Studien zum Cannabinoidkonsum bei chronischen Schmerzen kamen die Autoren zu dem Schluss, dass es „mäßig gute Belege für den Nutzen von Cannabinoiden bei der Behandlung chronischer Schmerzen gibt“. Diese Belege sind so stark, dass chronische Schmerzen die häufigste Bedingung für die Verschreibung von medizinischem Cannabis sind.
Darüber hinaus belegen weitere Forschungsergebnisse, dass Cannabis auch die Begleiterscheinungen des Lupus, wie Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Übelkeit, lindern kann.
Schließlich gibt es Einzelfallberichte von LupuspatientInnen, die sich durch den Konsum von Cannabis selbst Abhilfe geschaffen haben. Obwohl es sich hierbei nicht um streng durchgeführte klinische Studien handelt, stellen diese Berichte für LupuspatientInnen mit stark einschränkenden Schmerzen in den Gelenken und anderen Körperteilen einen Hoffnungsschimmer dar.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weitere Studien erforderlich sind, um zu untersuchen, ob Cannabis den Lupus lindern kann. Es gibt jedoch viele Hinweise darauf, dass Cannabis Schmerzen und Entzündungen lindern kann, auch wenn die zugrunde liegende Ursache eine Autoimmunerkrankung ist.
Nebenwirkungen
Die wichtigsten Nebenwirkungen von Cannabis sind psychoaktiver Natur und umfassen Gedächtnisstörungen, Angstzustände, Euphorie und Paranoia.
Diese Nebenwirkungen sind einer der Hauptgründe, warum viele Menschen auf Präparate mit hohem CBD-Gehalt (dem nicht-psychoaktiven Cannabinoid) zurückgreifen. Obwohl alle Arten von Cannabis kleinere Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Müdigkeit, Mundtrockenheit und Appetitveränderungen verursachen können, treten sie je nach Sorte häufiger oder seltener auf. Cannabis ist jedoch im Allgemeinen eine sichere Substanz, die seit Tausenden von Jahren verwendet wird, und seine Nebenwirkungen sind im Vergleich zu vielen anderen Arzneimitteln zur Behandlung von Lupus, wie NSAIDs, Kortikosteroiden und Immunsuppressiva, mild. Außerdem sind sie bei chronischen Schmerzen eine attraktivere Alternative als die weit verbreiteten Opiate, die in vielen Ländern zu einer Opiatabhängigkeit mit epidemieartigen Ausmaßen geführt haben.
Legaler Konsum
Nur wenige Länder mit Programmen für medizinisches Cannabis betrachten Lupus als qualifizierende Voraussetzung zur Verschreibung von Cannabis. Beispielsweise steht Lupus derzeit nur in drei US-Bundesstaaten auf der Liste der gültigen Indikationen.
Nichtsdestotrotz betrachten die meisten Länder und Bundesstaaten mit Programmen für medizinisches Cannabis chronische Schmerzen und Übelkeit als qualifizierende Voraussetzung. Wenn der Lupus so schwer ist, dass er diese Symptome verursacht, können Betroffene also doch ein Rezept bekommen, auch wenn Lupus selbst nicht namentlich aufgeführt ist.
Theoretisch kann man in Kanada, Deutschland, den Niederlanden und vielen anderen Ländern mit Programmen für medizinisches Cannabis Zugang zu Cannabis zur Behandlung von Lupus erhalten. Einige Programme, wie beispielsweise die in Großbritannien, sind jedoch restriktiver.
In den USA kann man in drei Bundesstaaten medizinisches Cannabis gegen Lupus einnehmen: in Illinois, Hawaii und New Hampshire.
Darüber hinaus kann man im District of Columbia und in folgenden 30 Bundesstaaten ein Rezept für medizinisches Cannabis bei lupusbedingten chronischen Schmerzen oder Übelkeit erhalten: Alaska, Arizona, Arkansas, Kalifornien, Colorado, Connecticut, Delaware, Florida, Louisiana, Maine, Maryland, Massachusetts, Michigan, Missouri, Montana, Nevada, New Jersey, New Mexico, New York, North Dakota, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, Washington, West Virginia, Utah und Vermont.
Fazit
Die Forschung zum Zusammenhang zwischen Lupus und dem Endocannabinoid-System steht noch ganz am Anfang und es ist noch zu früh, um ein endgültiges Fazit zu ziehen.
Dennoch wissen wir, dass das ECS an einer gesunden Immunfunktion beteiligt ist und dass die gezielte Anwendung von cannabisbasierten Präparaten eine Linderung der lupusbedingten Entzündungen und Schmerzen bieten kann.
Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Cannabis auch bei anderen Symptomen des Lupus helfen kann, wie Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen und Übelkeit.
Obwohl diese Belege allein nicht stark genug sind, damit Ärzte bei Lupus Cannabis empfehlen können, stellen sie für PatientInnen eine alternative Behandlungsform dar, besonders wenn Standardmedikamente nicht wirken oder schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen.
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