Cannabis wirkt auf das Immunsystem und kann Schmerzen lindern. Daher rückt es immer mehr zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten wie der rheumatoiden Arthritis (RA) in den Vordergrund.
Cannabis bei rheumatoider Arthritis ?
Bei Autoimmunkrankheiten funktioniert das Immunsystem nicht richtig, ist überaktiv und verursacht Entzündungen. Eine rheumatoide Arthritis verursacht Gelenkschmerzen und chronische Schmerzen des Bewegungsapparats. Bei der Entstehung einer rheumatoiden Arthritis sind zahlreiche Immunzellen und Botenstoffe beteiligt.
Medizinisches Cannabis wird aus der Pflanze Cannabis sativa gewonnen und beeinflusst den Körper, indem es mit dem Endocannabinoid-System (ECS) interagiert. Das ECS-System besteht im Wesentlichen aus Cannabinoidmolekülen, die das System aktivieren, Rezeptoren, die über den ganzen Körper verteilt sind und von den Cannabinoidmolekülen aktiviert werden, und Enzymen, die eine wichtige Rolle bei der Synthese und dem Abbau der Cannabinoide spielen.
Das ECS kann durch körpereigene (Endocannabinoide) oder extern (außerhalb des Körpers) produzierte und konsumierte Cannabinoide aktiviert werden. Zu diesen externen Cannabinoiden gehören pflanzliche Cannabinoide aus Cannabis sativa, sog. „Phytocannabinoide“, oder pharmazeutisch hergestellte Cannabinoide, wie beispielsweise Nabilon. Ein Großteil unseres Wissens über das ECS und seinen Einfluss auf den Körper stammt aus der Untersuchung der Effekte von Endocannabinoiden, Phytocannabinoiden (Cannabis) und synthetischen Cannabinoiden. Die am häufigsten untersuchten Phytocannabinoide sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), von denen angenommen wird, dass sie die Haupteffekte von Cannabis verursachen. Dennoch sind in Cannabis sativa mindestens 140 weitere Phytocannabinoide enthalten und auch wenn sie nicht so gut untersucht sind wie THC und CBD, dürften sie ebenfalls eine gewisse Wirkung auf den Körper haben.
Die Enzyme des ECS helfen bei der Regulierung des Endocannabinoid-Spiegels und können die Endocannabinoide sehr schnell abbauen – im Gegensatz zu Phytocannabinoiden, deren Wirkung in der Regel länger anhält. Pharmaunternehmen entwickeln derzeit Arzneimittel, die einen Abbau der Endocannabinoide verhindern können, wodurch der Endocannabinoid-Spiegel hoch bleibt.
Bisher wurden zwei ECS-spezifische Rezeptoren identifiziert und mit fortschreitender Forschung wird diese Zahl wahrscheinlich noch ansteigen. Die identifizierten Rezeptoren heißen CB1 und CB2. Sie sind unterschiedlich im Körper verteilt und beeinflussen daher den Körper auch unterschiedlich. Cannabinoidmoleküle können den Rezeptor in unterschiedlichem Maße entweder aktivieren, hemmen oder beides. THC und CBD interagieren mit den und beeinflussen die CB1- und CB2-Rezeptoren Die ECS-Rezeptoren befinden sich im ganzen Körper, mit einer besonders hohen Konzentrationen auf Immunzellen und im Nervensystem. Dadurch kann das ECS Entzündungen und Schmerzen beeinflussen. Derzeit wird erforscht, wie die CB1- und CB2-Rezeptoren genau funktionieren.
CB1-Rezeptoren, die stärker im Nervensystem konzentriert sind, scheinen für die psychoaktiven (High-Gefühl) und neurologischen Effekte, einschließlich Schmerzempfinden, verantwortlich zu sein. Durch die CB1-Aktivierung wird die Freisetzung von Neurotransmittern (Signalübertragung im Nervensystem) reguliert und genau dieser Vorgang führt zu einer Verringerung der Schmerzen und hat positive Auswirkungen auf Depressionen und Angst. CB2-Rezeptoren hingegen sind in höheren Konzentrationen auf der Oberfläche von Immunzellen vorhanden. Sie werden auch auf Knochenzellen und Bindegewebszellen exprimiert. Studien haben ergeben, dass die Aktivierung der CB2-Rezeptoren die Vermehrung und Bewegung von Immunzellen reduzieren kann. Das ist genau der Prozess, durch den Entzündungen entstehen. Aus diesem Grund kann Cannabis entzündungshemmend wirken. Die CB2-Aktivierung beeinflusst auch die Produktion von Antikörpern durch Immunzellen. Dies ist besonders relevant bei der rheumatoiden Arthritis, da bei der Mehrheit der Patienten Antikörper nachgewiesen werden können.
Eine kleine Studie mit 13 RA-PatientInnen ergab, dass in den erkrankten Gelenken sowohl CB1- als auch CB2-Rezeptoren vorhanden sind, was mit einem erhöhten Endocannabinoidspiegel einherging. Die CB1- und CB2-Rezeptoren wurden an Zellen, die für den Entstehungsprozess der rheumatoiden Arthritis von zentraler Bedeutung sind, den sogenannten „synovialen Fibroblasten“, entdeckt Das Vorhandensein der Rezeptoren im erkrankten Gewebe deutet darauf hin, dass sie eine Rolle bei der Entwicklung und Regulation der Krankheit spielen können. Eventuell könnte das Vorhandensein dieser Rezeptoren genutzt werden, um das erkrankte Gewebe direkt zu beeinflussen.
Trotz des Belegs, dass die Aktivierung des ECS Entzündungen verringert, zeigen andere Studien, dass die CB1-Aktivierung zu einer verstärkten Entzündungsreaktion führen kann. Interessanterweise ergab eine aktuelle Studie, dass man 10 Mal wahrscheinlicher eine rheumatoide Arthritis entwickelt, wenn ein CB2-Rezeptor aufgrund einer genetischen Mutation nicht normal funktioniert. Dies deutet darauf hin, dass die CB2-Aktivierung eine Rolle bei der Immunregulierung spielen und dadurch die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis verhindern könnte.
Es hat sich gezeigt, dass Endocannabinoide und synthetische Cannabinoide die Anzahl an Immun- und Bindegewebszellen senken, von denen angenommen wird, dass sie an der Gelenkschädigung und -zerstörung bei der rheumatoiden Arthritis beteiligt sind. In gesunden Gelenken sind in der Regel keine Endocannabinoide nachweisbar, jedoch scheinen sie bei RA-PatientInnen gehäuft in den Gelenken vorzukommen. Synthetische Cannabinoide aktivieren die CB2-Rezeptoren und verhindern so bei RA-PatientInnen die Entzündungsreaktion der Zellen in den kranken Gelenken.
Cannabis wird seit Jahrtausenden zur Schmerzbehandlung eingesetzt. Bei der RA-Behandlung gibt es im Großen und Ganzen zwei gleich wichtige Ziele: Zum einen soll die Entzündungsreaktion kontrolliert und irreversible Schäden am Körper verhindert werden. Dies wird als krankheitsmodifizierende Behandlung bezeichnet. Das andere Ziel ist die Verbesserung der Symptome, insbesondere der Schmerzen und der Lebensqualität. THC und CBD, die Hauptkomponenten von medizinischem Cannabis, wirken unterschiedlich auf das ECS und spielen daher auch unterschiedliche Rollen beim Erreichen dieser Ziele. Dennoch wird auch angenommen, dass THC und CBD einen synergistischen Effekt haben (was bedeutet, dass CBD und THC sich gegenseitig positiv beeinflussen). Dieser sogenannte „Entourage-Effekt“ ist ein Vorteil des medizinischen Cannabis, der bei den synthetischen Präparaten derzeit nicht vorhanden ist.
Eine Studie hat gezeigt, dass die Einnahme von medizinischem Cannabis beim Menschen die Aktivität der Immunzellen und den Antikörperspiegel reduziert. In Tierstudien hat sich gezeigt, dass auch CBD den Antikörperspiegel verringert.
Die Wirkung von THC auf Immunzellen ist unklar. Es kann auch sein, dass die Wirkung nicht über die Cannabinoidrezeptoren, sondern über einen anderen Mechanismus reguliert wird. In Studien waren hohe THC-Konzentrationen erforderlich, um einen Einfluss auf die Entzündungsreaktion zu erzeugen. Wenn nämlich zusätzlich Medikamente gegeben wurden, die die Cannabinoidrezeptoren blockieren, war die entzündungshemmende Wirkung nicht betroffen Dies deutet darauf hin, dass die entzündungshemmende Wirkung von THC über einen anderen Mechanismus erfolgt. CBD hingegen hat bei der Entzündungsreduzierung bei rheumatoider Arthritis vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Einige dieser entzündungshemmenden Effekte sind auf die Aktivierung des Cannabinoidsystems zurückzuführen. Andere Effekte werden wahrscheinlich durch die Aktivierung anderer Rezeptoren als den CB1- und CB2-Rezeptoren verursacht. Es besteht die Hoffnung, dass dies in weiteren Studien untersucht wird und dadurch neue Therapieformen gefunden werden können.
In verschiedenen Studien wurden auch die Effekte einer Cannabinoidbehandlung auf die Arthritis von Mäusen untersucht. CBD und synthetische Cannabinoide, die den CB2-Rezeptor aktivierten, reduzierten den Schweregrad der Arthritis, die Anzahl der Entzündungsherde und die Schäden am Bewegungsapparat.
Es wurde eine kleine 5-wöchige randomisierte Kontrollstudie mit 58 RA-PatientInnen durchgeführt. Die PatientInnen wurden in Gruppen eingeteilt und erhielten entweder Nabiximols oder ein Placebo. Nabiximols ist ein oral eingenommenes Spray, das zu gleichen Teilen Cannabisextrakte aus CBD und THC enthält. Das Placebo war ein Spray, das zwar gleich aussah, aber keine aktiven Bestandteile enthielt. Nach 5 Wochen berichteten die PatientInnen, die Nabiximols erhielten, von deutlich verringerten Schmerzen bei Bewegung und in Ruhe, einer besseren Schlafqualität und einer verringerten Krankheitsaktivität im Vergleich zu den Patienten, die das Placebo erhielten. Bei den Nebenwirkungen kamen am häufigsten Schwindel, Benommenheit und Mundtrockenheit vor. Die Nebenwirkungen waren alle leicht bis mittelschwer und führten nicht dazu, dass einer der PatientInnen die Einnahme des Medikaments einstellte. Dies ist derzeit die einzige klinische randomisierte Kontrollstudie, bei der der Einsatz von Cannabinoiden bei RA-PatientInnen untersucht wurde. Es läuft derzeit jedoch noch eine größere europäische Studie, bei der die Verabreichung von CBD und THC an RA-PatientInnen untersucht wird
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das ECS einen Einfluss auf die Funktion des Immunsystems hat und damit ebenfalls eine Rolle bei der rheumatoiden Arthritis spielt. Derzeit gibt es nur eine qualitativ hochwertige randomisierte klinische Studie, bei der Cannabinoide zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bei Menschen untersucht wurden. Sie hat vielversprechende Ergebnisse gebracht und es werden auch noch weitere Studien dazu durchgeführt. Neben seinen möglichen positiven Auswirkungen auf Entzündungen bietet Cannabis auch die bekannten Auswirkungen auf das Schmerzempfinden. Bei der Entscheidung, ob ein neues Medikament eingeführt werden soll, wird immer zwischen dem potenziellen Nutzen und dem eventuell angerichteten Schaden abgewogen. Die meisten Nebenwirkungen von Cannabis sind in der Regel leicht bis mittelschwer und führen in der Regel nicht dazu, dass die Behandlung abgebrochen werden muss. Es gibt jedoch Bedenken hinsichtlich der möglichen psychotropen Auswirkungen und anderer möglicher Komplikationen.
Trotz zunehmender Hinweise darauf, dass Cannabis bei PatientInnen mit rheumatoider Arthritis entzündungshemmend wirken kann, gilt diese Erkrankung nicht als Indikation für die Verschreibung von Cannabis. Die PatientInnen werden daher nur zur symptomatischen Linderung (insbesondere der Schmerzen) mit medizinischem Cannabis behandelt. In Zukunft könnte medizinisches Cannabis möglicherweise auch wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung verschrieben werden.
Während Cannabis in den USA auf Bundesebene immer noch illegal ist, hat eine Mehrheit der Bundesstaaten medizinisches Cannabis bereits legalisiert. Derzeit ist medizinisches Cannabis in folgenden Bundesstaaten gegen rheumatoide Arthritis und chronische oder hartnäckige Schmerzen zugelassen: Connecticut, Hawaii und Illinois. In den folgenden Bundesstaaten gelten chronische oder hartnäckige Schmerzen als Indikation für die Verschreibung von Cannabis, jedoch ohne spezifische Erwähnung der rheumatoiden Arthritis: Alaska, Arizona, Arkansas, Kalifornien, Colorado,, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Iowa, Louisiana, Maine, Maryland, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Missouri, Montana, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Dakota, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia.
Weitere Länder, in denen die rheumatoide Arthritis oder chronische Schmerzen eine Indikation für die Verschreibung von medizinischem Cannabis sind: Australien, Chile, Kolumbien, Kanada, Tschechien, Deutschland, Griechenland, Israel, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien und Uruguay.
Die Vorschriften bezüglich medizinischem Cannabis ändern sich sehr schnell und daher ändert sich diese Liste ständig und wird regelmäßig ergänzt.
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